Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 2. Septembeer 2008 die Fusion von Dresdner Bank und Commerzbank:
Geschrieben am 01-09-2008 |
Bremen (ots) - Viele zahlen drauf von Joerg Helge Wagner Wer gewinnt, wer verliert? Fangen wir bei den Gewinnern an. Das ist sicherlich der "Finanzstandort Deutschland". Nicht bloß, weil eine Übernahme der Dresdner Bank durch die Chinese Development Bank abgewehrt wurde. Deren konzeptionelle Geheimniskrämerei und ungute Erinnerungen an das Engagement von BenQ bei Siemens wogen das vermeintlich bessere Angebot schnell auf. Vor allem aber entsteht nun belebende Konkurrenz für den Platzhirsch Deutsche Bank - in deutscher Hand und auf den deutschen Mittelstand, das Rückgrat unserer Wirtschaft, fokussiert. Nicht nur politisch, auch finanziell profitiert wahrscheinlich der Bund - als Großaktionär des Postkonzerns, denn der Preis für den Übernahmekandidaten Postbank könnte steigen: Die Deutsche Bank ist unter Zugzwang, wenn sie mittelfristig die Nr. 1 in Deutschland bleiben will. Gewinner sind auch die "Eheleute". Die Commerzbank erwartet Synergie-Effekte von 5 Milliarden Euro bis 2012 - allein damit wäre der Einkauf also schon zur Hälfte refinanziert. Wenn es denn klappt mit den Synergieeffekten - die Allianz hat bekanntlich vergebens darauf gewartet, nachdem sie 2001 die Dresdner Bank geschluckt hatte. Paradox, aber genau deshalb profitiert jetzt sogar sie: Die verlustbringende Tochter wird sie los und hält dafür künftig 30 Prozent an deren neuer Mutter Commerzbank. Schöne Aussichten auch für die Allianz-Aktionäre: Eine baldige Kurserholung ist möglich bis wahrscheinlich. Noch ein Gewinner ist Dresdner-Bank-Vorstandschef Herbert Walter: Er bleibt an entscheidender Position im neuen Vorstand - sicher ohne Gehaltseinbußen. Die Verlierer sind zahlreicher. Zuerst 9000 Beschäftigte beider Institute, die "abgebaut werden" - inklusive der meisten Dresdner-Bank-Vorstände. Aber auch die kleineren Privatkunden: Synergien kommen bei ihnen nicht an. Im Gegenteil: Gebühren und sonstige Kosten bleiben, aber Angebote entfallen. Gekniffen sind auch die Aktionäre der Commerzbank - zumindest, wenn sie ihre Anteile rasch verkaufen müssen, erhalten sie derzeit nur Blech für Silber. Für die "Solidargemeinschaft der Versicherten" bei der Allianz gilt das Gleiche wie für die Bankkunden: Synergie-Efffekte werden kaum in Form von Beitragssenkungen ankommen. Denn unterm Strich hat die Allianz bei ihrem Ausflug ins Bankwesen erst einmal 14 Milliarden Euro Miese in sieben Jahren "erwirtschaftet". Dafür müssen natürlich die Kunden bluten - aber vielleicht künftig weniger stark als bisher. Niemand kann garantieren, dass das erklärte Allianz-Ziel, schon 2011 doppelt so viele Versicherungen wie bisher "über den Bankschalter" zu verkaufen, auch erreicht wird. Unterm Strich: Ein guter Deal? Zumindest ein unvermeidlicher - alles andere ist derzeit noch Spekulation.
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