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Neurologie: Engpass bei Patientenversorgung droht

Geschrieben am 04-09-2008

Hamburg/Berlin (ots) - Kaum jemand, der nicht einen Angehörigen
oder Bekannten hat, der an Alzheimer, anderen Demenzerkrankungen,
Schlaganfall, Parkinson, Multiples Sklerose oder Epilepsie erkrankt
ist. Und es werden immer mehr: Die Zahl der Patienten wird in den
nächsten Jahren stark ansteigen, denn die Menschen werden immer
älter. Gleichzeitig herrscht heute schon ein Mangel an Neurologen.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) fordert politische
Weichenstellungen, um die Forschung zu forcieren und die
Patientenversorgung zu optimieren.

Der Anteil der über 65-Jährigen wird bis zum Jahr 2050 um 67
Prozent auf 23 Millionen Menschen zunehmen. Die Zahl der über
80-Jährigen steigt von jetzt drei auf zehn Millionen an. Allein beim
Schlaganfall wird ein 85-prozentiger Zuwachs an Neuerkrankungen
prognostiziert - die Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen.

Überalterung der Ärzte, zu wenig Nachwuchs

Die demografische Schere setzt beim Neurologen-Nachwuchs an. Schon
heute scheiden mehr Ärzte aus ihrem Beruf aus als Absolventen
nachrücken. Wie eine Studie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV) und der Bundesärztekammer (BÄK) zeigt, gehen in den kommenden
fünf Jahren jährlich etwa 8200 Ärzte in den Ruhestand. Demgegenüber
geht die Zahl der jungen Hochschulabsolventen auf jährlich etwa 7800
zurück. Viele davon gehen in attraktiver erscheinende Berufe oder ins
Ausland, was das jährliche Defizit auf ca. 2000 anwachsen lässt. KBV
und BÄK befürchten daher Engpässe bei der Versorgung von Patienten
durch Vertragsärzte, insbesondere bei den Neurologen. In den
Krankenhäusern sieht die Situation nicht besser aus: 28 Prozent der
Kliniken geben an, offene Stellen nicht besetzen zu können.

Zu wenig Klinikärzte, Einsatz von Arzthelfern

In der Klinik sorgen lange und unregelmäßige Arbeitszeiten für
Unzufriedenheit - für viele junge Kollegen ein Grund, gar nicht erst
eine Klinik-Karriere einzuschlagen. Hinzu kommt überbordende
Bürokratie. Nachfragen der medizinischen Dienste und
Dokumentationsaufgaben halten die Ärzte von ihrer eigentlichen
Aufgabe ab: der Versorgung der Patienten. Zur Entlastung der Ärzte
schlägt die DGN einen verstärkten Einsatz von Arzthelfern in der
Klinik vor.

Überproportional hohe Belastung durch neurologische Krankheiten
Niedergelassene Neurologen klagen ebenfalls über wachsende
Bürokratie. Zusätzlich machen dieser Berufsgruppe Regressdrohungen
wegen Budgetüberschreitung zu schaffen. Die DGN fordert, den erhöhten
Aufwand für die immer steigende Patientenzahl besser zu kompensieren
- dabei reicht eine proportionale Beteiligung an der jüngst
beschlossenen Honorarangleichung nicht aus. Eine aktuelle Studie des
Berliner IGES-Instituts im Auftrag der neuropsychiatrischen
Berufsverbände zeigt, dass die Erkrankungen des Nervensystems die mit
Abstand größten Kosten verursachen. Gründe dafür sind eine meist
langjährige Pflegebedürftigkeit und aufwändige Reha-Maßnahmen.
Während die Fallzahlen im neurologisch-psychiatrischen
Versorgungsbereich überproportional ansteigen, sinken in gleicher
Weise Leistungsmenge und Honorar pro behandeltem Patient. Diese
Entwicklung darf nicht zu Lasten der Neurologen gehen.

Vorbild Stroke Units

Intelligente Diagnostik- und Therapieverfahren sind bei
neurologischen Erkrankungen besonders erfolgreich. So hat die
Einrichtung der Stroke Units im stationären Bereich zu einem um 25
Prozent besseren Behandlungsergebnis geführt. Dies setzt sich
langfristig in signifikant reduzierte Pflege und Unterhaltskosten um.
Dieses Erfolgsmodell sollte auf andere häufige neurologische
Krankheiten übertragen werden. Nur wenn Neurologen in die
Akut-Situation mit dem Patienten direkt eingebunden sind, ist eine
optimale Versorgung gewährleistet. Die derzeit kontrovers diskutierte
Telemedizin bietet hierfür keinen gleichwertigen Ersatz.

Forschung stärker fördern

Besonders wichtig sind Investitionen in die Forschung: Jeder
Monat, den ein Parkinson-Patient länger selbstständig leben kann, den
ein Alzheimer-Patient nicht heimpflichtig wird oder in dem ein
Schlaganfallpatient nicht gepflegt werden muss, verbessert die
Lebensqualität dieser Patienten entscheidend und spart Kosten.

In den zu erwartenden Konflikten um die Ressourcen wird die DGN
für die möglichst optimale Versorgung der neurologischen Patienten
eintreten. Diese Bemühungen werden nur aussichtsreich sein, wenn alle
Verantwortlichen gemeinsam weiterhin intelligente neue Lösungen
anbieten, mit denen die unstrittigen und noch zu wenig bekannten
Herausforderungen der Neurologie und der deutschen Gesundheitspolitik
insgesamt in Zukunft besser zu lösen sind.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) sieht sich als
neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen
Verantwortung, mit ihren fast 6000 Mitgliedern die neurologische
Krankenversorgung in Deutschland zu verbessern. Dafür fördert die DGN
Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in
der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen
Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der
Geschäftsstelle ist die Bundeshauptstadt Berlin.

Originaltext: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/41201
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_41201.rss2

Pressekontakt:
Hinweis für die Medien

Der 1. Vorsitzende der DGN, Prof. Dr. med. Günther Deuschl (Kiel),
wird das Thema auf der Auftaktpressekonferenz zum 81. Jahreskongress
der DGN am 09. September 2008 ab 12.00 Uhr im CCH, Hamburg, erläutern
und steht für Fragen und Interviews zur Verfügung.

Ansprechpartner für die Medien/Akkreditierung: Frank A. Miltner, Tel:
089-46148622, presse@dgn.org, www.dgn.org/presse.html

Geschäftsstelle DGN: Prof. Dr. med. Otto Busse, Reinhardtstr. 14,
10117 Berlin, Tel: 030-531437930, busse@dgn-berlin.org


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