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Börsen-Zeitung: Kein Grund zur Scham, Kommentar zum Wachstumsausblick der EZB von Jürgen Schaaf

Geschrieben am 04-09-2008

Frankfurt (ots) - Schämt sich der Präsident der Europäischen
Zentralbank (EZB) für das Mandat seines Hauses? Wenn man EZB-Chef
Jean-Claude Trichet lauscht, kann man den Eindruck gewinnen, ihm ist
so gut wie jedes Argument recht, um die Wachstumsaussichten für die
Eurozone zu beschönigen - und damit zu rechtfertigen, warum die
Währungshüter die geldpolitischen Zügel nicht lockern. Dabei ist die
Notenbank primär einem stabilen Preisniveau verpflichtet. Erst wenn
dieses gesichert ist, darf sie die Konjunktur stützen.

Im Anschluss an die gestrige Entscheidung des EZB-Rats, den
Schlüsselzins für den Euroraum unverändert bei 4,25% zu belassen,
sprach Trichet erneut von einer "Delle" beim Wachstum. Das dürfte
doch reichlich beschönigend sein. Denn die Zeichen stehen klar auf
Abschwung.

Auch die EZB-Volkswirte haben ihre Wachstumsprognose für 2009
deutlich von 1,5% auf 1,2% gesenkt. Neben den gängigen
Frühindikatoren deutet auch der deutliche Rückgang des "engen
Geldmengenaggregats M1" ein erheblich langsameres Wachstum an.
Kurzum: Es sieht richtig übel aus für die Konjunktur der Eurozone.
Und dennoch hält Trichet an dem Szenario fest, dass im Verlaufe des
kommenden Jahres der Wachstumsmotor wieder anspringt, vielleicht
sogar schon im vierten Quartal dieses Jahres. Von einer Rezession in
diesem Jahr will er mal gerade gar nichts hören.

Offenkundig will Trichet mit dem relativ rosigen Wachstumsszenario
den Forderungen nach Zinssenkungen argumentativ den Boden entziehen.
Aber das ist der falsche Ansatz. Um Zinssenkungen abzulehnen, muss
der Blick auf die Entwicklung der Inflation genügen. Denn obwohl die
Wachstumsprognose des EZB-Stabes gesenkt wurde und der Ölpreis
zuletzt stark gefallen ist, erwarten die Notenbank-Volkswirte, dass
die Teuerung im Euroraum 2009 bei 2,6% liegen wird - meilenweit von
ihrem Stabilitätsziel von knapp 2% entfernt.

Um nicht missverstanden zu werden: Wenn die Wirtschaft völlig zu
kollabieren droht, kann eine Notenbank auch einmal die Prioritäten
ändern. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Eine Abschwächung der
Wirtschaft wird nötig sein, um die Inflation einzudämmen. Das darf
und muss eine Notenbank jedoch auch klar - und ohne falsche Scham -
kommunizieren.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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