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"Macht ohne Mandat" / Bislang grösste Fachkonferenz analysiert am 19. und 20.9.2008 den Einfluß des Lobbyismus auf Politik und Medien

Geschrieben am 15-09-2008

Berlin (ots) - Sie sind überall: Interessensvertreter wenden sich
an Abgeordnete, Verwaltungsbeamte und Journalisten. Die - meist
finanzstarken - Lobbyisten prägen das Meinungsklima durch
strategische PR, offensive Kampagnen und subtiles Sponsoring. Ein
wachsendes Heer von hochprofessionellen Lobby-Experten steht einer
stetig sinkenden Anzahl von Journalisten gegenüber, denen oft die
Ressourcen für intensive Recherche fehlen.

"Lobbyismus ist prinzipiell nicht öffentlichkeitsfähig" - so die
Begründung vieler Lobbyisten für die defensive Öffentlichkeitsarbeit
in eigener Sache. Um die Strukturen und Arbeitsweisen von Lobbyisten
transparenter zu machen, veranstaltet die Journalistenvereinigung
Netzwerk Recherche am kommenden Freitag und Samstag, 19. und 20.
September, unter dem Titel "In der Lobby brennt noch Licht" die
bislang größte Fachtagung zum Thema Lobbyismus. Wie Lobbyisten
politische und mediale Strukturen nutzen, um ihre Interessen auf die
politische Agenda zu setzen und wie eine wirksame Transparenz
hergestellt werden könnte, das sind die Leitfragen der Konferenz.
Mehr als 200 hochrangige Wissenschaftler, Politiker, Journalisten
und Top-Lobbyisten debattieren über das kontrovers debattierte Thema.

Nach der Eröffnungsrede der Bundesverfassungsrichterin Christine
Hohmann-Dennhardt analysiert Gerd Mielke (Universität Mainz) den
aktuelle Stand der politikwissenschaftlichen Lobbyismusforschung. Am
Freitag steht zudem das Verhältnis von Interessenvertretern und
Politik im Mittelpunkt Thilo Sarrazin (Finanzsenator des Landes
Berlin) untersucht den Lobbyismus der Deutschen Bahn AG, Lothar
Binding (MdB) reflektiert seinen Kampf gegen die Tabak-Lobby. Tessen
von Heydebreck (Deutsche Bank Stiftung) wird als Initiator des
Programms Seitenwechsel seine Thesen zum Thema "Lobbyisten in
Ministerien" präsentieren.

Am Samstag widmen sich Daniel Goffart (Handelsblatt), Cerstin
Gammelin (Süddeutsche Zeitung) und Mirjam Stegherr (fischerAppelt
Kommunikation) der Beziehung zwischen Lobbyisten und Journalisten. Im
Panel "Medien und Lobbyismus" stehen die Bedeutung von Internet,
Negative Campaigning und Corporate Social Responsibility im Fokus.
Wie Lobbyismus in Europa funktioniert, erklären der britische
Politikwissenschaftler David Miller sowie der Mitarbeiter der
Grünenfraktion im Europaparlament Axel Singhofen. Gegenstrategien
werden von William Dinan (University of Strathclyde), Jorgo Riss
(Greenpeace European Unit) und Ulrich Müller (LobbyControl) aus der
Perspektive von NGO`s präsentiert.

Abschließend diskutieren unter anderen Jürgen Hogrefe
(Generalbevollmächtigter EnBW),
Norbert Theihs (Verband der Chemischen Industrie),
Cornelia Yzer (Verband Forschender Arzneimittelhersteller) und
Sascha Adamek (Journalist und Autor des Buches "Der gekaufte
Staat")
über Wege zu mehr Transparenz und Öffentlichkeit lobbyistischer
Aktivitäten.

Wie brisant das Thema ist, zeigt der Umgang mit so genannten
Leihbeamten: Unternehmen und Interessensverbände schicken seit 2004
ausgewählte Mitarbeiter als "Leihbeamte" in die Bundesministerien.
Die Initiative zu diesem "Austauschprogramm" kam von der Deutschen
Bank. Das Bundesministerium für Inneres erhofft sich dadurch "Impulse
für die Modernisierung der Bundesverwaltung", sagt Reinhard Timmer,
Leiter der Abteilung Verwaltungsmodernisierung. Das Programm habe
"nichts mit Lobby-Arbeit zu tun. Es soll helfen, Brücken zu bauen",
sagt Tessen von Heydebreck von der Stiftung Deutsche Bank. Dass die
Austauschmitarbeiter an Insiderwissen gelangen und dabei im Sinne
ihrer Arbeitgeber an Gesetzesvorhaben und Erlassen mitwirken, geht
aus einer aktuellen Studie des Bundesrechnungshofes hervor. Die
Untersuchung weist nach, dass ein systematisches Vorgehen zur
Vermeidung solcher Risiken "nicht sichergestellt" ist. Mehrere
Fraktionen arbeiten derzeit an Gesetzesinitiativen um
parlamentarische Antworten auf die offenen Fragen des
Bundesrechnungshofes zu geben.

Der Geschäftsführer von Transparency International Deutschland,
Christian Humborg fordert die Journalisten -als Reaktion auf den
zunehmenden Lobbyeinfluß auf, "trotz umfangreicher PR und trotz
wachsenden ökonomischen Drucks auf die Redaktionen, ihre
Unabhängigkeit zu bewahren." Es sei schwer, "vernünftige
Entscheidungen gegen die veröffentlichte und öffentliche Meinung zu
treffen", ergänzt der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding. Das
ist vor allem dann fatal, wenn diese Meinungsmache längst von
Lobby-PR dominiert wird.

Aktuelle Tendenzen des Lobbyismus werden während der Berliner
Konferenz ausführlich analysiert. Eine Verlagerung von politischen
Entscheidungen in kleinere Gremien, zu denen nicht alle
Interessenvertreter Zugang haben, stellt Matthias Corbach, Doktorand
an der Forschungsstelle für Umweltpolitik (FFU) der Freien
Universität Berlin, fest. In einer umfangreichen Fallstudie hat er
den Entstehungsprozeß um das Gesetz zum Emissionshandel unter die
Lupe genommen. "Ab Mitte 2003 verlagerte sich der Aushandlungsprozess
um die Einführung des Emissionshandels in Deutschland in immer
kleinere Gremien. Die entscheidenden Gespräche erfolgten in der von
der Bundesregierung ins Leben gerufenen Staatssekretärsrunde, in der
zwei Staatssekretäre aus dem Wirtschafts- und Umweltministerium sowie
13 Wirtschaftsvertreter Mitglied waren. Gewerkschaften und NGOs waren
nicht mehr vertreten. Die Gespräche sollten vollkommen intern
bleiben."

Im Fall des Nichtraucherschutzgesetzes machte sich die Tabaklobby
den deutschen Föderalismus zunutze. Denn, so Lothar Binding: "Eine
sichere Methode, einheitliche und logisch verständliche Regelungen zu
verhindern, ist die Verlagerung der Gesetzgebung auf die Länder. Es
ist sehr verständlich, dass in 16 verschiedenen Ländern viele
verschiedene Regelungen erlassen werden und absurde Verhältnisse
auftreten. Die Rechnung ist aufgegangen - die Verfassungswidrigkeit
dieses gesetzlichen Flickenteppichs war vorprogrammiert."

Auch auf europäischer Ebene profitieren Lobbyisten von den
jeweiligen Zuständigkeiten. Nach Schätzungen der EU-Kommission gibt
es in Brüssel rund 15.000 Interessensvertreter, im EU-Parlament
sitzen 785 Abgeordnete. Auf jeden Parlamentarier kommen also fast 20
Lobbyisten, berechnen Kim Otto und Sascha Adamek in ihrem Buch "Der
gekaufte Staat".

Mehr Transparenz, lautet daher die einhellige Forderung von
Politikern, NGOs und Journalisten, um den Lobbyeinfluss einzugrenzen.
"Transparenz muss in jeglicher Hinsicht oberstes Gebot sein.
Lobbyisten arbeiten in erster Linie für sich und damit gegen andere",
sagt der SPD-Politiker Lothar Binding. Cornelia Yzer schlägt eine
"legislative Fußspur vor, die auflistet, wer bei der jeweiligen
Gesetzgebung mitgewirkt hat", Transparency
International-Geschäftsführer Christian Humborg hofft auf
verantwortlich betriebene Interessensvertretung, der Abgeordnete
Michael Hartmann glaubt, dass die Lobbyisten bei vehementen
Forderungen nach mehr Transparenz vorsichtiger werden könnten. "Und
sie werden subtiler agieren", warnt der SPD-Politiker.

Daher setzt die Bundesverfassungsrichterin Christine
Hohmann-Dennhardt auf eine kritische Öffentlichkeit:
"Journalistisches Spotlight schafft Sensibilität für das Thema und
fördert die Erkenntnis, dass es beim Lobbyismus nicht nur um gute
Beziehungen, Sektempfänge und Männerfreundschaften geht, sondern
darum, wer in unserem Land wirklich den Ton angibt. Es kann bewirken,
dass Politiker wieder mehr davor zurückscheuen, sich mit einzelnen
Interessengruppen zu verbandeln und Kumpanei zu betreiben."

"In der Lobby brennt noch Licht... Lobbyismus als politisches
Schatten-Management"

Fachkonferenz vom 19. - 20. September 2008 in der
Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, Hiroshimastr. 17, 10785 Berlin.

Mehr Informationen zur Tagung unter:

www.netzwerkrecherche.de

Den Reader mit den Thesenpapieren zur Konferenz können Sie bei
T.Quednau@gmx.de anfordern.

Rückfragen: Dr. Thomas Leif 0171-9321891

Originaltext: netzwerk recherche
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/50273
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_50273.rss2

Pressekontakt:
Dr. Thomas Leif
0171-9321891


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