Allg. Zeitung Mainz: Zwischen Pest und Cholera (Kommentar zu Österreich)
Geschrieben am 29-09-2008 |
Mainz (ots) - Als Österreich gestern früh erwachte und sich die Augen rieb, war schnell klar, dass der Wahlabend kein böser Traum gewesen ist. Die Alpenrepublik steht vor einem Trümmerhaufen und der Wahl zwischen Pest und Cholera - daran ändert auch der Rücktritt von ÖVP-Chef Molterer nichts: Entweder nimmt die stark geschwächte konservative Volkspartei die Wahlsieger von Freiheitlicher Partei und Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) mit in eine Mitte-Rechtsaußen-Koalition oder man wurschtelt weiter in der Großen Koalition. Es sind die einzigen realistischen Möglichkeiten, und beide werfen Probleme auf. So wird die ultrakonservative - oder besser: reaktionäre - Variante Österreich international ins Abseits stellen. Schon bei der ersten Koalition von ÖVP und FPÖ war dies einst der Fall, da aber aktuell die Freiheitlichen viel unverhohlener rechtsextreme Sprüche klopfen, würde Österreich einen noch weit schwereren Stand haben als damals. Zumal mit der BZÖ, die sich einst von der FPÖ abspaltete, auch Rechtspopulist Haider wieder beteiligt wäre. Eine Große Koalition aber bietet innenpolitischen Sprengstoff, denn das Erstarken der Rechten ist direkt auf diese Konstellation zurückzuführen. Der Österreicher ist ja nicht von Haus aus rechts gesinnt, aber wenn der Wähler mit der Regierung der beiden Großen unzufrieden ist - gerade mit der Art, wie sozialdemokratische und Volkspartei in den letzten Jahrzehnten das Land unter sich aufgeteilt haben - gibt er seine Stimme eben an den Rändern ab. Dennoch scheint die Große Koalition das kleinere Übel zu sein. Allerdings müssen ÖVP und SPÖ einen echten Neuanfang wollen. Sonst droht bei der nächsten Wahl eine rechtsextreme Mehrheit.
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