(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Das System wankt, Kommentar zur eskalierenden Finanzkrise von Bernd Wittkowski

Geschrieben am 29-09-2008

Frankfurt (ots) - Apokalypse? Endzeit? Weltuntergang? Oder "nur"
eine eskalierende Finanzkrise? Es fällt zunehmend schwer, das
Geschehen in der deutschen und der internationalen Bankenwelt zum
fairen Wert einzuordnen, ohne einerseits zu verharmlosen oder
andererseits Panik zu schüren. Von Tag zu Tag, mit jeder Drehung der
Krisenspirale, werden die Superlative des Schreckens knapper. Binnen
24 Stunden muss eine Public Private Partnership von Steuerzahlern und
Banken mit Liquiditätshilfen und Bürgschaften in der unbegreiflichen
Höhe von 35 Mrd. Euro die Hypo Real Estate auffangen, werden die
britische Hypothekenbank Bradford & Bingley voll und der
belgisch-niederländische Allfinanzriese Fortis zur Hälfte
verstaatlicht - Kleinkram wie die Übernahme der angeschlagenen
US-Großbank Wachovia durch Citi oder die Rettung der isländischen
Bank Glitnir mit öffentlichen Geldern ist da kaum der Rede wert: Gibt
es noch ein Morgen? Und, falls ja, welche Katastrophe kommt als
nächste?

Wer heute wesentlich jünger ist als 90 Jahre, 1931 und die
Folgejahre in ihrer ökonomischen und politischen Bedeutung also noch
nicht bewusst wahrgenommen hat, steht fassungslos vor den - subjektiv
- historisch beispiellosen Entwicklungen, die er erlebt. Wer die
Geschichte aber immerhin aus Büchern oder Erzählungen der Altvordern
kennt, der ahnt, auf welch schmalem Grat wir uns bewegen und welche
Verantwortung das für das Krisenmanagement der Politik, der
Finanzaufsicht und der Banken selbst bedeutet. Denn - es hilft ja
nichts, sich selbst und der Öffentlichkeit etwas vorzumachen - man
ist geneigt, 1931 zu assoziieren: Liquiditätskrise der Danatbank, Run
auf die Banken, Notregime für das Kreditgewerbe, Einlagengarantie der
Reichsregierung, Stützung und weitgehende Verstaatlichung aller
Großbanken, politische und wirtschaftliche Destabilisierung.

Eingreifen ohne Alternative

Natürlich gibt es enorme Unterschiede zwischen damals und heute,
etwa in der Entstehungsgeschichte der Krise. Aber es gibt eben auch
manch beängstigende Parallele. Insofern scheint das entschlossene
Eingreifen der Regierungen wie jetzt in Deutschland, den
Benelux-Staaten oder Großbritannien jedenfalls im Grunde
alternativlos zu sein. Man sollte sich einmal vor Augen halten, dass
die Hypo Real Estate zur Jahresmitte Kundenverbindlichkeiten von rund
26 Mrd. Euro in den Büchern hatte und was es für einen schon durch
den Fall Lehman Brothers extrem strapazierten Einlagensicherungsfonds
bedeutete, gäbe es im aktuellen Fall keine gemeinsame Stützungsaktion
von Bund und Banken. Noch ist das Finanzsystem zwar nicht gefallen.
Doch es wankt und droht die Realwirtschaft zu erschüttern.

Bleiben wir an dieser Stelle bei der Lage in Deutschland. Noch vor
kurzem wähnte sich die Hypo Real Estate von der seit über einem Jahr
grassierenden Finanzkrise angeblich so gut wie nicht betroffen und
sah sich eher auf der Seite der Krisengewinner. Dreiste Lüge oder
fatale Fehleinschätzung? Für die in Hauptverantwortung von
Vorstandschef Georg Funke und vom Aufsichtsratsvorsitzenden Kurt
Viermetz zu ziehenden Konsequenzen macht das keinen Unterschied: Sie
müssen abtreten. Diese Bank und ihre Führung haben den Kredit
verspielt - im doppelten Wortsinn.

Apokalypse genug

Doch es waren nicht nur mangelhafte Transparenz und miserable
Kommunikation, die den Münchenern zum Verhängnis wurden. Die Hypo
Real Estate hat sich im vorigen Jahr mit der mehr als 5 Mrd. Euro
schweren Übernahme der einst ins Steuerparadies Irland geflüchteten
Depfa Bank übernommen. Und die Verantwortlichen haben zugesehen, wie
das Management des Staatsfinanzierers den dümmsten und spätestens
seit Münemann, dem Erfinder der Methode "aus kurz mach lang",
bekanntesten Fehler beging, den eine Bank begehen kann: langfristig
Kredit vergeben und kurzfristig refinanzieren. Das geht so lange gut,
wie die Zinskurve nicht invers und der Zugang zu Liquidität nicht
verstopft ist. Offenbar hat nicht einmal der jüngst mit einem Viertel
(zu 22,50 Euro je Aktie) bei der Hypo Real Estate eingestiegene
Finanzinvestor J. Christopher Flowers, dessen Due Diligence doch
stets als Gütesiegel der betroffenen Bank galt, gemerkt, was da lief.

Die Hypo Real Estate und ihre Führung sind formidabel gescheitert
- in ebenso flagranter maßloser Selbstüberschätzung wie Fortis, die
sich an den mitten in der Finanzkrise erworbenen Teilen von ABN Amro
verhoben hat. Die Münchener werden das auch aus Sicht führender
Banker so unverständliche wie unverzeihliche Fehlverhalten mit dem
Verlust ihrer Existenz als Bank bezahlen: "Geordnete Abwicklung"
(Peer Steinbrück) ist angesagt. Was sonst? Banken leben von
Vertrauen. Doch wer sollte der Hypo Real Estate noch vertrauen?
Zuerst wird man die Depfa eindampfen. Den verbleibenden Rest werden
anschließend unweigerlich die Zweifel der Investoren und des
sonstigen Publikums zerfressen. Das Mitleid hält sich in Grenzen.
Umso mehr möchte man sich an die Hoffnung klammern, dass wir nicht
noch viel tiefer fallen. Es reicht auch so längst an Apokalypse.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

161419

weitere Artikel:
  • Kington erhebt eine Klage in Höhe von 269 Millionen USD gegen LoJack Peking (ots/PRNewswire) - - Die Klage geht auf die Beendigung der Technologielizenz für China durch LoJack zurück Kington Holdings Ltd ("Kington") verkündete heute, dass es eine Gegenklage im Verfahren mit der amerikanischen Schiedsgerichtsvereinigung (American Arbitration Association) gegen LoJack Equipment Ireland Ltd ("LoJack Ireland"), einer Tochtergesellschaft der LoJack Corporation (Nasdaq: LOJN) ("LoJack"), einem Anbieter von Sicherheitssystemen zum Wiederauffinden von gestohlenen Autos, erhebt. Der Streit begann mit der mehr...

  • Willkommen in der brandneuen Welt auf PartyPoker.com! Gibraltar (ots/PRNewswire) - http://www.partypoker.com ist erfreut, bekannt geben zu dürfen, dass das Unternehmen eine brandneue, fantastische Version seiner beliebten Online-Poker-Website gestartet hat! Die Internet-Präsenz wurde völlig überarbeitet! http://www.newscom.com/cgi-bin/prnh/20080929/322972 Bereits heute bietet PartyPoker.com für eine neue Registrierung einen Bonus von 100 % von bis zu 500 USD. Den Start der nächsten Generation von http://www.partypoker.com unterstützen zwei Werbeaktionen: "The Big Deal" bietet die Möglichkeit, mehr...

  • Crown Holdings wird Präsentation auf der JPMorgan US Mid Cap Growth Konferenz halten Philadelphia (ots/PRNewswire) - Crown Holdings, Inc. (NYSE: CCK) gab heute bekannt, dass Timothy J. Donahue, Senior Vice President-Finance, am Dienstag, den 30. September 2008, auf der JPMorgan US Mid Cap Growth Konferenz (Konferenz von JPMorgan über das Wachstum US-amerikanischer Aktiengesellschaften mit mittlerer Börsenkapitalisierung) sprechen wird. Die Konferenz findet in der Niederlassung von JPMorgan unter der Adresse 10 Aldermanbury in London, Grossbritannien, statt. Die Präsentation beginnt um 16.30 Uhr (BST - Ortszeit London). mehr...

  • CPC of America, Inc. sondiert strategische Alternativen; beauftragt FTI Capital Advisors mit der Beurteilung potenzieller Möglichkeiten Sarasota, Florida (ots/PRNewswire) - CPC of America, Inc. (OTC Bulletin Board: CPCF.OB) gab heute bekannt, dass das Unternehmen FTI Capital Advisors, LLC, das Tochterunternehmen von FTI Consulting, Inc. für Emissionsgeschäfte, mit der Sondierung strategischer Alternativen für das Unternehmen beauftragt hat. FTI Capital Advisors wird als Finanzberater von CPC of America dem Vorstand alle Interessenbekundungen von Dritten melden, die eine mögliche Lizenzvereinbarung mit dem Unternehmen, der Übernahme des Unternehmens oder seiner Technologie mehr...

  • HKC (HOLDINGS) als Constituent Stock in die Reihe der Hang Seng Indizes aufgenommen Hongkong (ots/PRNewswire) - - Führungsposition in der Grundstückserschliessungsbranche bekräftigt HKC (Holdings) Limited ("HKC (HOLDINGS)" bzw. die "Unternehmensgruppe") (HKEx: 190) wird ab dem 15. Oktober 2008 mit den Aktienwerten des Unternehmens (Constituent Stock) in den Hang Seng Composite Index, den Hang Seng Mainland Composite Index, den Hang Seng Composite Industry Index - Properties & Construction, den Hang Seng Freefloat Composite Index sowie in den Hang Seng Mainland Freefloat Index aufgenommen. Eric Oei, Vorstandsvorsitzender mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht