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Börsen-Zeitung: Versagende Banker Kommentar zur Bankenkrise, von Claus Döring.

Geschrieben am 06-10-2008

Frankfurt (ots) - Mittlerweile im Wochenrhythmus stürzt die
Reputation der Banken und ihrer Manager. Spätestens nach dem
zurückliegenden Wochenende dürfte im öffentlichen Rating die unterste
Stufe des Junk-Status erreicht sein. Dass die Bundesregierung binnen
Wochenfrist ein zweites Mal gezwungen sein würde, beim selben
Institut eine Rettungsaktion zu koordinieren, hätte sich selbst der
krisenerfahrene Bundesfinanzminister nicht träumen lassen.

Erst hat der Vorstand die Aktionäre hinters Licht geführt, dann
die zur Rettung angetretene Kreditwirtschaft einschließlich Politik
und Öffentlichkeit. Mitte August - die Finanzkrise war gerade ein
Jahr alt geworden - behauptete der Vorstand der Hypo Real Estate
(HRE) im Aktionärsbrief: "Das Liquiditätsrisiko wird auf täglicher
Basis überwacht, unterstützt durch zukunftsgerichtete Stresstests.
Selbst unter einem Worst-case-Szenario ist dadurch sichergestellt,
dass die Hypo Real Estate Gruppe sowie ihre Tochterbanken jederzeit
uneingeschränkt zahlungsfähig sind." Zu Recht wird inzwischen
öffentlich nach der Verantwortung der Vorstände und Aufsichtsräte
gefragt, nach den Tätern also, während noch vor wenigen Tagen die HRE
als Opfer der Vertrauenskrise dargestellt wurde.

Wenn etwas das Vertrauen untergräbt, dann sind es die
Falschinformationen. Wie sehr dadurch nicht allein das Vertrauen
unter den Banken selbst, sondern auch das der Bürger und der
Politiker zu den Banken erschüttert ist, wird daran ersichtlich, dass
die Bundeskanzlerin es für nötig hielt, den deutschen Sparern über
die Fernsehschirme zur besten Sendezeit die Sicherheit ihrer Einlagen
zu garantieren.

Auf was und wen ist noch Verlass in diesen Zeiten? Auf den Staat,
lautet die Botschaft, die die Bundesregierung mit ihrer Bürgschaft
und Rettungsaktionen sendet. Auf den Staat, lautet die Botschaft, die
führende Banker mit ihrem Ruf nach einem europäischen Hilfsprogramm à
la USA und nach einem Risikoschirm für alle Kreditinstitute senden.
Auf den Staat, lautet die Botschaft, wenn jetzt aus Wissenschaft und
Praxis einer weitgehenden Regulierung des Finanzsektors das Wort
geredet wird. Ist es nicht erst wenige Wochen her, dass es
hierzulande nach den Skandalen um IKB, WestLB, SachsenLB und KfW zum
Allgemeinwissen an Stammtischen und in Hörsälen zu gehören schien,
der Staat habe als Banker versagt? Nun schlägt das Pendel zurück.

An welcher Stelle soll man das Pendel anhalten, wie viel Staat
braucht der Finanzsektor? Sich die USA zum Vorbild zu nehmen wäre
verkehrt. Dort hat der Staat einschließlich Notenbank und
Börsenaufsicht kläglich versagt und mit seiner diskretionären Politik
die Finanzkrise eingebrockt. Dabei konnte sich die US-Regierung auf
die angeblich besten Thinktanks, die renommiertesten Ökonomen und den
gleichsam Guru-Status genießenden Notenbank-Chef Alan Greenspan
stützen. Sie alle sind grandios gescheitert, weil sie glaubten,
Wirtschaft und Konjunktur, Wachstum und Wohlstand in ihrem Sinne
lenken zu können. Diese Anmaßung produzierte bis in diese Tage eine
Fehlentscheidung nach der anderen: der Insolvenz von Lehman Brothers,
die den Interbankenmarkt zum Erliegen und Fortis, HRE und Dexia erst
so richtig in die Bredouille brachte, folgte das 700 Mrd. Dollar
schwere Bail-out

So groß jetzt die Sehnsucht nach einem vom Bundesfinanzminister
ins Gespräch gebrachten "Plan B", einem großen Risikoschirm gegen
jedwede Gefährdung sein mag - auch das wäre der falsche Weg. Denn
jede Bankenschieflage war und ist anders: mal ist das Kreditrisiko,
mal das Marktrisiko, mal das Liquiditätsrisiko oder mal ein
operationales Risiko für eine Notlage ursächlich. Wenn der Staat
sprich Steuerzahler einspringen muss, dann bitte nur beim einzelnen
Institut und befristet. Ein genereller staatlicher Risikoschirm mag
für vorübergehendes Aufatmen bei den Betroffenen sorgen. Nachhaltiges
Vertrauen entsteht jedoch erst, wenn Banken mit ihrem Geschäftsmodell
dem Orkan der Finanzkrise trotzen, wenn ihre Kapitalausstattung
solide bleibt, ihr Zahlenwerk transparent und ihr Management
verlässlich.

Der Beitrag des Staates zur Vertrauensbildung besteht darin,
kalkulierbare Rahmenbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Das
klingt banal und wie aus dem Lehrbuch - ist es aber nicht. Die
Einlagensicherung ist eine solche verlässliche Rahmenbedingung, auch
schon vor der Garantie der Kanzlerin. Die Sicherstellung der
Liquiditätsversorgung und eine auf den Geldwert verpflichtete
Geldpolitik gehören ebenso dazu wie die Regeln von Basel II oder eine
Finanzaufsicht, die unabhängig von nationalen oder sektoralen
Lobbygruppen den Schutz der Anleger und die Stabilität des
Finanzsystems in den Vordergrund stellt.

Sicher sind Korrekturen nötig, vor allem in der Regulierung. Aber
man muss der Versuchung widerstehen, in Zeiten der Panik die Politik
eine neue Finanzarchitektur entwerfen zu lassen. Das Versagen
einzelner Bankvorstände, so schlimm es sein mag, ist nicht das
Versagen des gesamten Systems hierzulande.

(Börsen-Zeitung, 7.10.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Börsen-Zeitung
Redaktion

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