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Börsen-Zeitung: Geduldsprobe, Kommentar zu den Kapitalmärkten von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 17-10-2008

Frankfurt (ots) - Die Turbulenzen in der Finanzbranche und an den
Kapitalmärkten erfordern von den betroffenen Akteuren nicht nur einen
kühlen Kopf. Sie sollten sich auch mit einer gehörigen Portion Geduld
wappnen. Denn die Überwindung der Krise wird sich viel länger
hinziehen, als vielen bewusst zu sein scheint - und noch weitere
Kreise ziehen und Opfer fordern. Die Entwicklung dieser Tage zeigt
dies deutlich. Die Verkündung des großen, global angelegten
Rettungsplans hat an den überverkauften Aktienmärkten zu einer
Gegenreaktion geführt, die ebenso heftig wie kurzlebig war. Zwar ist
zumindest zunächst eine weitere Verschärfung der Krise abgewendet
worden. Doch so schnell, wie sich das mancher vorstellt, kann der
Plan die Krise nicht beheben.

Doch selbst wenn der Plan in absehbarer Zeit Wirkung im
Finanzsektor zeitigen wird, bleibt immer noch das Rezessionsproblem.
Hier hat sich das Bild in den zurückliegenden Tagen nochmals
verdüstert, was an den Märkten für Ernüchterung gesorgt hat. Die
US-Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Auch am Freitag rissen
die Hiobsbotschaften nicht ab. Nachdem am Vorabend ein über Erwarten
deutlicher Verfall der Häuserpreise veröffentlicht worden war, folgte
ein überraschend starker Rückgang von Baubeginnen und -genehmigungen.
Auch Europa befindet sich am Rande der Rezession. Nichts anderes
bedeutet letzten Endes die Prognose der Bundesregierung, die nun für
das nächste Jahr ein Wachstum von nur noch 0,2% erwartet.

Mehr Geduld werden die Marktteilnehmer damit auch aufbringen
müssen, was die Erholung bei der Ergebnisentwicklung der Unternehmen
betrifft. Serienweise haben Unternehmen in der jetzt an Fahrt
gewinnenden Quartalsberichtssaison Prognosen gestutzt oder sogar
aufgrund der kaum noch einschätzbaren Lage eine Vorschau auf den
kommenden Turnus verweigert. Letzteres ist kaum zu kritisieren, denn
eine Aussage über die nächsten zwölf Monate ist in der jetzigen Lage
kaum auf eine solide Grundlage zu stellen. Doch das wird die
Aktienmärkte alles andere als beruhigen. Die Wende bei den
Ergebnissen, die von manchen für das dritte, spätestens aber das
vierte Quartal 2008 proklamiert wurde, wird noch länger auf sich
warten lassen. Das Gleiche gilt für die Weltwirtschaft. Von einer
Wende zum Besseren im Verlauf des ersten Halbjahres 2009 ist nicht
mehr die Rede. Die Hoffnungen richten sich nun auf das zweite
Halbjahr 2009, teilweise sogar auf den übernächsten Turnus.
Weiterhin können sich die Akteure an den Märkten nur gewiss sein,
dass ihnen weiterhin heftige, völlig unberechenbare Kursschwankungen
bevorstehen. Dafür spricht auch, dass sich nun immer mehr die
Emerging Markets als potenzieller neuer Brandherd erweisen. Die vor
noch nicht allzu langer Zeit gehegten Entkoppelungsträume, nach denen
die Schwellenländer aufgrund ihrer starken Entwicklung der
zurückliegenden Jahre eine Immunität gegenüber Vorgängen in den
Industrienationen entwickelt haben sollten, sind geplatzt. Wie sollen
sie sich auch den Problemen der etablierten Volkswirtschaften
entziehen?

Die Kreditkrise sorgt nun einmal auch in den Emerging Markets für
eine Kapitalverknappung. Noch schlimmer aber ist, dass Investoren aus
den Industrienationen in großem Umfang Mittel aus den
Schwellenländern repatriieren. Außerdem sinken Nachfrage und
Rohstoffeinnahmen. Mittlerweise gerät sogar das "Musterland" Russland
in die Bredouille. Die russischen Devisenreserven sind seit August um
11% bzw. 67 Mrd. auf 531 Mrd. Dollar geschrumpft. Experten befürchten
nun, dass die Bonitätsnoten Russlands, das aufgrund sprudelnder
Einnahmen mit Öl und Gas als unverwundbar galt und den
Investment-Grade-Bereich erreicht hat, wieder verschlechtert werden
könnten.

Der Dax bewegt sich somit in einem Umfeld, das auch aus dem Warten
auf die Bodenbildung eine Geduldsprobe macht und neue Kurstiefen
wahrscheinlich erscheinen lässt. Dass der Dow nach der Bekanntgabe
der global koordinierten Stabilisierungsmaßnahmen den prozentual
stärksten Tagesanstieg seit dem Zweiten Weltkrieg verbuchte, ist nur
bedingt beruhigend. Denn die vier noch höheren Tagesgewinne
ereigneten sich während des Crashs vom Herbst 1929 und der
anschließenden Großen Depression.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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