LVZ: Thierse fordert Merkel zum Machtwort im Antisemitismus-Streit auf / Drohende Blamage durch Engstirnigkeit der CDU
Geschrieben am 27-10-2008 |
Leipzig (ots) - Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, im Antisemitismus-Streit ein Machtwort zu sprechen. "Die CDU-Vorsitzende sollte ihren Beitrag leisten, damit die Peinlichkeit, die die CDU uns beschert, überwunden wird", sagte Thierse der "Leipziger Volkszeitung" (Dienstag-Ausgabe). Der Bundestag müsse sich noch rechtzeitig bis zum 9. November auf eine gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus einigen, sonst drohe eine Blamage durch die Engstirnigkeit der CDU. "Es liegt jetzt an der CDU/CSU-Fraktion, die Tür zu öffnen," betonte Thierse.
Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl hatte zuvor eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei bei einem gemeinsamen Antisemitismus-Antrag des Bundestages zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht abgelehnt mit der Begründung, die Linke habe sich nicht vom antizionistischen und antiisraelischen Erbe der SED distanziert. Die Union besteht zudem auf einen Passus im Beschlusstext, in dem der Umgang der DDR mit der jüdischen Bevölkerung problematisiert und auf die Enteignung jüdischer Unternehmer in der DDR verwiesen wird.
"Insofern sich die Linkspartei kritisch zur Israelpolitik und zum Antizionismus der SED verhält, ist die Hürde überwunden, die Gemeinsamkeit in Sachen Antisemitismus bisher verhindert hat. Da sollte sich die CDU/CSU vernünftigerweise bewegen", sagte Thierse. Voraussetzung für eine gemeinsame Erklärung sei jedoch die Entfernung von "historisch falschen" Behauptungen im Antragstext, etwa dass es eine besondere Enteignung jüdischen Eigentums gegeben hätte. "Es gab allgemeine Enteignungen in der DDR, die sich aber nicht speziell gegen jüdisches Eigentum gerichtet haben", machte Thierse klar.
Der Bundestagsvizepräsident sprach sich zudem für eine Ernennung eines Antisemitismus-Beauftragten aus. "Es ist durchaus vernünftig, dass in der Hand eines Antisemitismus-Beauftragten alle Aktivitäten gebündelt werden, die demokratiefeindlichen und rassistischen Aktivitäten in unserem Land begegnen. Das zeigt, dass Parlament und Regierung Antisemitismus ernst nehmen und ihre Aktivitäten dagegen verstetigen und bündeln wollen!" Thierse plädierte dafür, mit dem Thema nicht nur anlassbezogen umzugehen. "Man muss die Bekämpfung des Antisemitismus zu einer kontinuierlichen Aufgabe machen." Es sei eine beständige Aufgabe der politischen Bildung, der Aufklärung und der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dazu könnte und sollte ein solcher Beauftragter dienen.
Wie wichtig ein Antisemitismus-Beauftragter sein kann, könne man auch an den Äußerungen des Präsidents des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sehen. "Ein solch fataler Fehlgriff zeigt, was für ein Denken in der Parallelgesellschaft der Manager, Banker und Wirtschaftswissenschaftler herrschen könnte." Ein Antisemitismus-Beauftragter könnte hier schnell und für das gesamte Parlament darauf reagieren, so Thierse.
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