"Wer die Herausforderung liebt, kann nie am falschen Ort sein"
Geschrieben am 12-06-2006 |
Red-Bull-Salzburg-Coach Giovanni Trapattoni im Gespräch mit KURIER-Reporter Christoph Geiler
Wien (ots) - Jetzt ist er endlich da. Der Mann, den sie Maestro nennen. Der Serientäter von der Trainerbank. Der Altstar, der immer noch nicht fertig hat. Giovanni Trapattoni, ein 67-jähriger Coach mit jungen Zügen, trat am Sonntag erstmals vor seine Salzburger Mannschaft. Während auf der anderen Seite der Grenze der WM-Titel ausgespielt wird, muss Giovanni Trapattoni eine Mannschaft formen, die in wenigen Wochen im Schnabelholz zu Altach bestehen kann.
KURIER: Herr Trapattoni, die ganze Welt blickt dieser Tage nach Deutschland zu den besten Fußballern des Planeten. Sie aber haben ein Land betreten, das in der aktuellen FIFA-Rangliste die Nummer 76 einnimmt. Befinden Sie Sich nicht vielleicht am falschen Ort? TRAPATTONI: Nein, überhaupt nicht. Salzburg ist eine neue Herausforderung. Ich habe in meinem Leben immer die Herausforderungen gesucht und angenommen, habe mir immer neue Ziele gesetzt. Ich kann gar nie an einem falschen Ort sein.
Aber was macht ein Fachmann wie Sie, der in ganz Europa große Erfolge hatte, ausgerechnet in Österreich? Noch mal: Mich reizt diese Herausforderung, mir gefallen die Rahmenbedingungen in diesem Verein. Ich will mit dieser Mannschaft im internationalen Fußball etwas erreichen. Das kann uns mittelfristig sicher gelingen.
Andere Trainer in Ihrem Alter sind längst in Trainer-Pension. Sie zeigen hingegen noch die Übungen am Platz selbst vor. Was treibt sie an, woher nehmen Sie die Energie, sind Sie ein Fußballverrückter? Nein, nein. Ich lebe Fußball. Der Fußball ist schnell, der Fußball bewegt, und der Fußball entwickelt sich. Das will ich miterleben, es gefällt mir, wenn der Fußball in Bewegung ist. Und außerdem bleibe ich dadurch jung.
Apropos jung: Wie frisch ist Ihr Wissen über den österreichischen Fußball? Als ich im vergangenen Jahr in Stuttgart Trainer war, habe ich einige Spiele der österreichischen Liga im Fernsehen verfolgt. Ich weiß also, was mich erwartet. Es gibt drei, vier Teams, die ungefähr auf dem gleichen Level spielen. Wichtig wird sein, dass wir die richtige Mentalität entwickeln, die Siegermentalität nämlich. Dass wir die wichtigsten Eigenschaften für den Erfolg mitbringen: Siegeswillen, Einsatz und Konzentration. Und zwar von Beginn an. Wir haben nur fünfeinhalb Wochen Vorbereitung. Da dürfen wir keinen Tag verschenken.
Lothar Matthäus steht Ihnen als Trainer zur Seite. Wie wird die Aufgabenteilung aussehen? Und besteht durch diese Konstellation kein Konfliktpotenzial? Nein, sicher nicht. Vier Augen sehen mehr als zwei. Außerdem sind wir beide Fachleute, die vor allem eines wollen: den Erfolg.
Wie schnell kann sich der Erfolg einstellen? Etliche Spieler müssen den Verein verlassen, viele neue kommen. Birgt der radikale Umbau nicht ein Risiko, immerhin steht schon bald die Champions-League-Qualifikation am Programm? Ich hoffe, dass in spätestens zehn Tagen der Großteil der neuen Spieler da ist. Sonst kann das eventuell zum Problem werden.
Sie haben die Neuzugänge angesprochen. Kann es eigentlich sein, dass noch der eine oder andere Spieler von der WM zu Red Bull stößt? Es kann durchaus sein, dass jemand zu uns kommt, der jetzt bei der WM ist. Ich werde mir selbst ein, zwei Spiele live anschauen.
Und welche Trends erwarten Sie sich? Der Fußball hat alles schon gezeigt, man kennt mittlerweile alles. Ob 4/4/2, 3/5/2 oder 4/3/3, die Systeme sind alle bekannt. Neue Trends ergeben sich nur mehr durch neue Spieler. Eigentlich kann mich nichts mehr überraschen.
Viele Experten hatten befürchtet, dass sehr wenig Tore fallen werden. Sämtliche Mannschaften sind heutzutage taktisch sehr gut geschult. Vor allem in der Defensive. Die lassen alle nur wenige Fehler zu.
Ihr Ex-Team Italien ist auch so eine Mannschaft, die sehr viel Wert auf die taktische Disziplin legt. Was trauen Sie Italien zu? Der Titel ist möglich. Allerdings nur, wenn Italien nicht schon vor dem Finale auf Brasilien trifft. Das bedeutet Brasilien ist Ihr großer Favorit? Brasilien, Argentinien, Holland, Deutschland. Und Italien hat Chancen.
Wie sehr beeinträchtigt der Skandal in Italien die Leistungen des Nationalteams? Das weiß keiner so genau, das muss man während des Turniers einfach beobachten. Diese Sache kann durchaus auch den Effekt auslösen, dass die italienischen Spieler in dieser Situation enger zusammenrücken.
Hätte man Ihrer Meinung nach auf Goalie Gianluigi Buffon, der bereits vom Staatsanwalt einvernommen wurde, verzichten sollen? Ich sage Nein. Jemand mit seiner Siegermentalität gehört ins Team. Er ist sehr stark im Kopf. Die Mannschaft braucht seine Anwesenheit.
Abschließend noch: Wer kann das Überraschungsteam der WM werden? Ich könnte mir vorstellen, dass das eine oder andere afrikanische Team aufzeigen kann. Die haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Interview: Christoph Geiler
Rückfragehinweis: Kurier Sportredaktion Tel.: +43 1 52100 DW 2814
Originaltext: Kurier Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62563 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62563.rss2
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