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Börsen-Zeitung: Trügerische Erholung, Kommentar zu den Finanzmärkten von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 31-10-2008

Frankfurt (ots) - Fast 800 Punkte hat der Dax zugelegt - in nur
einer Handelswoche. Am Montagmorgen stand er noch bei rund 4200
Zählern, am Freitag schloss der deutsche Leitindex dann bei fast 5000
Punkten. Dies ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich die
Kurse bis vor kurzem im freien Fall befanden.

Dementsprechend sind auch bereits wieder die ersten Stimmen zu
vernehmen, gemäß denen die Märkte das Schlimmste überstanden haben.
Die Kursgewinne, zusammen mit der Erholung des Ölpreises und des
Euro, könnten - so die Argumentation - die ersten Anzeichen einer
nachhaltigen Bodenbildung sein.

Es gibt in der Tat eine Reihe von Faktoren, die die Aktienmärkte
angetrieben haben und wohl auch noch eine kurze Weile antreiben
werden. So sind viele schlechte Nachrichten inzwischen in den Kursen
eingepreist. Dass die USA, möglicherweise sogar die gesamte Welt und
mit Sicherheit Deutschland in die Rezession abrutschen werden, hat
sich herumgesprochen.

Positive Impulse gehen ferner von den Rettungspaketen aus, die
Regierungen geschnürt haben. Inzwischen häufen sich die Anzeichen,
dass auch die Privatbanken die staatlichen Hilfen akzeptieren, was
die Gefahr einer Kreditklemme für den Unternehmenssektor mindert. Und
die Bundesregierung will mittlerweile nicht nur das Finanzsystem
stützen. Nun soll auch die Konjunktur mit einem Maßnahmenpaket
angeschoben werden.

Äußerst hilfreich ist aus Sicht der Marktteilnehmer auch die
Unterstützung, die die Notenbanken gewähren. Die Federal Reserve hat
am Mittwoch den Leitzins um 50 Basispunkte gesenkt, was insbesondere
an der Wall Street sehr positiv aufgenommen worden ist. In der neuen
Börsenwoche wird die Europäische Zentralbank (EZB) den Märkten zu
Hilfe eilen. Mit Blick auf die düstere konjunkturelle Lage hat
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet eine Zinssenkung so eindeutig in
Aussicht gestellt, wie er es bislang noch nie getan hat.

Allerdings stellt sich die Frage, wie lange die Erholung wohl noch
anhalten wird. So ist beispielsweise nicht davon auszugehen, dass die
Zinssenkungen den Märkten über die Zeitspanne von ein paar Tagen
hinaus Schub verleihen werden. Die größte Gefahr aber geht davon aus,
dass es neue Hiobsbotschaften gibt - sei es hinsichtlich der
Konjunktur oder aus dem Finanzsektor.

Was die Konjunktur betrifft, so könnte es am kommenden Freitag
gefährlich werden, wenn der stark beachtete Monatsbericht vom
US-Arbeitsmarkt veröffentlicht wird. In der gerade beendeten
Börsenwoche gab es bereits neue US-Makrodaten, die sehr bedenklich
ausfielen. So sind die Konsumausgaben, die fast zwei Drittel des
Bruttoinlandsprodukts ausmachen, im dritten Quartal
inflationsbereinigt mit einer Jahresrate von 3,1% zurückgegangen. Bei
den langlebigen Gebrauchsgütern - vom Auto bis zum Fernsehapparat -
beträgt das Minus sogar 14%.

Der frisch gekürte Nobelpreisträger für Ökonomie, Paul Krugman,
spricht in diesem Zusammenhang von einer Kapitulation der
amerikanischen Verbraucher. Er weist darauf hin, dass die Amerikaner
bislang in der jüngeren Vergangenheit praktisch noch nie ihre
Konsumlust gedämpft haben. So seien die Konsumausgaben sogar während
der Rezession von 2001 weiter gestiegen. Nun jedoch schnallen die
Amerikaner ihre Gürtel enger, was seiner Überzeugung nach zur Unzeit
kommt. Da der US-Leitzins bereits sehr niedrig ist, könne die Fed
kaum noch gegensteuern, so Krugman.

Hinzu kommt das Problem, dass die Banken trotz der sehr
großzügigen staatlichen Hilfen immer noch nicht bereit sind, sich
selbst und den Unternehmen Geld zu leihen. Dafür gibt es einen
einfachen Grund, glaubt Bruce Wasserstein, einer der profiliertesten
Investmentbanker und Dealmaker an Wall Street: Sie rechnen damit,
dass noch weitere haushohe Verluste auf sie zukommen. Er geht davon
aus, dass es bei Kreditkartenforderungen, bei gewerblich genutzten
Immobilien und weiteren Assetklassen zu desaströsen Ausfällen kommen
wird, wenn die konjunkturelle Schwäche anhält.

Wenn die beiden Koryphäen recht behalten, droht sowohl vom
Finanzsektor als auch von der Konjunktur her weiteres Ungemach. Die
Erwartung, dass es von nun an an den Märkten aufwärts geht, dürfte
sich als trügerisch erweisen.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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