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Hertie-Berlin-Studie 2009: Wie tickt die Hauptstadt?

Geschrieben am 18-11-2008

Berlin (ots) -

- Gemeinnützige Hertie-Stiftung legt in einer ersten
Bevölkerungsstudie repräsentative Daten über Lebenswelten in der
deutschen Metropole vor

Die Gemeinnützige Hertie-Stiftung hat in einer groß angelegten
Studie unter der Leitung der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann
und Michael Zürn die Bevölkerung der deutschen Hauptstadt nach ihrer
Lebenslage und ihrem Lebensgefühl befragt. TNS Infratest
Sozialforschung hat die Daten erhoben und ausgewertet. Für diesen
neuen Typus einer vertiefenden Stadtstudie gibt es in Deutschland
kein Vorbild.

Im Gegensatz zu bisherigen Untersuchungen mit speziellen
Themenschwerpunkten nimmt die Hertie-Berlin-Studie die gesamte
Bevölkerung der Stadt in den Blick: Sie stützt sich auf eine
repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 2.000 Berlinerinnen und
Berlinern ab 14 Jahren. Unabhängig von den Interpretationen der
Autoren bietet die Hertie-Berlin-Studie Ausgangsdaten für politische
und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse in der Hauptstadt.

Welche Potenziale lässt die Hertie-Berlin-Studie für die Zukunft
Berlins erkennen?

Prof. Dr. Michael Zürn: "Berlin ist eine Stadt der durchlässigen
Lebenswelten, die mosaikartig die Stadt zusammenführen. Es ist diese
mosaikartige Grundstruktur, die dafür Sorge trägt, dass die Migranten
sich nicht ausgeschlossen fühlen, und der alte Ost-West-Gegensatz in
der Vielfalt der Milieus verschwunden ist." Prof. Dr. Klaus
Hurrelmann: "Eine florierende Entwicklung der Stadt wird davon
abhängen, ob die Kreativwirtschaft und die damit zusammenhängende
Kulturlandschaft in Berlin mit Geschick weiterentwickelt werden
können. Weil die Stimmung der Berliner gut ist, kann die Politik mit
ihrer Unterstützung rechnen, vor allem auch der zugewanderten
Bevölkerung."

Die wichtigsten Ergebnisse der Hertie-Berlin-Studie:

Die Berliner gehen hart ins Gericht mit ihrer Stadt und sind doch
ihre größten Fans.

Die Berliner sind sich der Haushaltsmisere ihrer Stadt durchaus
bewusst. Als besonders belastend empfinden sie die Arbeitslosigkeit -
83 % der Befragten sehen hierin ein großes oder sogar sehr großes
Problem - gefolgt von steigenden Preisen (77 %) und zunehmender Armut
(69 %). Insgesamt, das zeigt die Hertie-Berlin-Studie, sind die
Berliner mit ihrer Stadt aber sehr zufrieden. 89 % der Berliner leben
gern in Berlin, 54 % sogar sehr gern.

Die innere Einheit zwischen Ost und West ist vollzogen.

West- und Ost-Berliner treffen sich nicht nur in ihrer hohen
Zufriedenheit mit Berlin und einem insgesamt positiven Lebensgefühl,
sondern sie legen auch die gleichen Maßstäbe an das Leben an: Ein
gutes Familienleben, eine vertrauensvolle Partnerschaft und gute
Kontakte zu anderen Menschen stehen bei beiden Gruppen an der Spitze
der Wertordnung, Politik und Machtstreben dagegen am Ende. Einhaltung
von gesellschaftlichen Spielregeln, Freude am Leben und ihre
Individualität sind ihnen gleichermaßen wichtig, das Streben nach
materiellem Wohlstand ist dem nachgeordnet.

Deutsche und Migranten in Berlin: Man kommt gut miteinander aus.

Nach den Ergebnissen der Hertie-Berlin-Studie haben 23 % der
Berliner ab 14 Jahren einen Migrationshintergrund (13 % deutsche
Staatsbürger, 10 % Ausländer). Nach eigenen Angaben pflegen 80 % der
Deutschen und 97 % der Migranten in Berlin Kontakte zur jeweils
anderen Bevölkerungsgruppe. Insgesamt geben sie sich dabei "gute
Noten": 61 % der einheimischen Deutschen und sogar 77 % der Migranten
bewerten ihre Kontakte untereinander als positiv.

Die Berliner: Lebenskünstler zwischen Kiez und Weltbürgertum

Die Menschen in Berlin sehen sich fast gleichermaßen als Europäer,
Deutsche und Berliner. Die emotionale Bindung an ihr Stadtviertel ist
erkennbar, sie ist jedoch deutlich geringer als die Bindung an Berlin
als Ganzes - und sogar fast gleichauf mit der Selbstsicht der
Berliner als Weltbürger. Die jeweilige Identität als Ost- oder
Westdeutsche hat nur untergeordnete Bedeutung. Welchen Blick haben
die Berliner auf sich selbst? Sie meinen, typische Berliner
"verstehen es, sich zu amüsieren" (86 %), "kommen als
'Lebenskünstler' immer wieder über die Runden" (84 %), "sind
selbstbewusst, lassen sich nichts vormachen" (79 %). Sie "haben viele
Probleme, machen aber das Beste daraus" (73 %).

Wirtschaft der Gegensätze: Höchste Hartz-IV-Quote Deutschlands,
kreatives Potenzial

Nach der Hertie-Berlin-Studie erhalten 19 % der Berliner ab 14
Jahren Hartz-IV-Leistungen, Grundsicherung bzw. Sozialhilfe oder
leben mit einer Person zusammen, die entsprechende Leistungen
bezieht. Das ist der höchste Wert aller deutschen Städte. Nur 42 %
der Berliner sind erwerbstätig und können von ihrem dadurch erzielten
Einkommen leben. Die Hertie-Berlin-Studie weist zugleich einen
vergleichsweise hohen Anteil an Beschäftigten innerhalb der
"Kreativwirtschaft" nach: Erwerbstätige im Kulturbereich,
qualifizierte Beschäftigte in wissensintensiven Dienstleistungen und
hoch qualifizierte Fachkräfte in Produktion und Handwerk. 28 % aller
in Berlin Beschäftigten gehören der Kreativwirtschaft an. Der
kulturelle Sektor allein erbringt 11 % des Berliner
Bruttoinlandsprodukts - ebenso viel wie das gesamte verarbeitende
Gewerbe.

Sieben Lebenswelten - eine Metropole

Die Hertie-Berlin-Studie verortet die Heterogenität der Stadt
anhand von sieben Lebenswelten, die sich teilweise stärker
voneinander unterscheiden als Ost und West. In den Kreativquartieren
der "neuen Mitte" (Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg) trifft
man auf die höchste Zufriedenheit mit Berlin. Ebenfalls
vergleichsweise zufrieden - trotz relativer Armut - sind die Bewohner
der "proletarisch" verbliebenen westlichen Mitte mit ihren
Migrationsquartieren, vor allem in Wedding, Teilen von Tiergarten und
Neukölln/Innenstadt. Die einst für die loyale DDR-Mittelschicht auf
der grünen Wiese erbaute Ost-Berliner Plattenbaukultur in
Lichtenberg, Hohenschönhausen, Marzahn und Hellersdorf zieht wegen
des geringen Preisniveaus junge Familien und osteuropäische
Zuwanderer an. Eher klassisch-kleinbürgerlich geprägt und relativ
statushoch ist der Grüne Ring Ost mit Gebieten in Pankow, Weißensee,
Köpenick und Treptow. Das ebenfalls kleinbürgerlich geprägte Berlin
Nord-West umfasst im Norden Berlins Reinickendorf und im Westen
Spandau. Hier ist die emotionale Distanz zur Stadt besonders hoch.
Berlin Süd (Schöneberg, Tempelhof, Friedenau, Steglitz, südlicher
Bezirk Neukölln) ist die bevölkerungsreichste und dem
Durchschnittsalter nach älteste der Lebenswelten. Lebenslage und
-gefühl von Berlin Süd nähern sich in Richtung Westen den
Bürgerlichen Statusgebieten in Charlottenburg, Wilmersdorf und
Zehlendorf an. Die Zufriedenheit mit Berlin ist hier nach den
Kreativquartieren am zweithöchsten.

Alles Wichtige rund um die Hertie-Berlin-Studie finden Sie unter
www.hertie-berlin-studie.de .

Die Hertie-Berlin-Studie erscheint am 19. 11. 2008 im Verlag
Hofmann und Campe zum Preis von EUR 16,95 [D].

Die Hertie-Stiftung ist mit einem Vermögen von über 800 Mio. EUR
eine der größten privaten Stiftungen Deutschlands, seit 1998 ohne
jede Unternehmensbindung. Sie versteht sich als Reformstiftung, die
in Vorschule, Schule und Wissenschaft Modelle aufzeigen und Hilfe zur
Selbsthilfe leisten will. Ihr bislang größtes Projekt in Berlin ist
die Hertie School of Governance. www.ghst.de .

Originaltext: Gemeinnützige Hertie-Stiftung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/9400
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_9400.rss2

Pressekontakt:
Hertie-Stiftung, Dörte Florack,
Tel. 069/660 756-167, FlorackD@ghst.de


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