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Basler Zeitung: WM-Presseschau: "Deutschland-Polen": Explosion der Emotionen (baz vom 15.6.06)

Geschrieben am 14-06-2006

Basel (ots) - Oliver Neuville schiesst Deutschland in der
Nachspielzeit ins Glück

CHRISTOPH KIESLICH, Dortmund

Deutschland hat nach einem packenden Kampfspiel mit einem
1:0-Erfolg über Polen die Achtelfinal-Qualifikation praktisch auf
sicher und wird mit dem emotionalen Schlussakt von Dortmund die
Titelhoffnungen im WM-Gastgeberland weiter anheizen.

Den Tag über hatte eine knisternde Stimmung in der Dortmunder
Innenstadt geherrscht, eine elektrisch aufgeladene Atmosphäre lastete
über Westfalen, und vom Horizont kündete ein aufziehendes Gewitter.
Aber die Entladung fand im Stadion statt - in der ersten Minute der
Nachspielzeit und nach dem Siegtreffer.

Er fiel in einer Phase, als die Polen nach einem dummen zweiten
Foul von Sobolewski in der 75. Minute in Unterzahl geraten waren und
die Mannschaft von Jürgen Klinsmann nach viel Leerlauf in der zweiten
Halbzeit ihre Chance witterte - und bekam.

Sowohl die verblüffende WM-Nominierung des Dortmunder Youngsters
David Odonkor, der in der Bundesliga mehr durch seinen ungeheuren
Speed, denn durch fussballerische Klasse aufgefallen ist, als auch
die des Stürmer-Urgesteins Oliver Neuville war skeptisch betrachtet
worden. Aber diese beiden Spieler entschieden eine streckenweise
temporeiche, enge und mit grosser Leidenschaft umkämpfte
Auseinandersetzung: Der enteilte Odonkor mit einer Flanke von rechts
und der heranspurtende Neuville mit dem Riecher, an der richtigen
Stelle am Fünfmeterraum heranzufliegen und den Ball über die Linie zu
drücken. Odonkor selber gab nach der Partie zu, bei seiner Hereingabe
nicht gesehen zu haben, «ob dort ein Stürmer steht. Jetzt bin ich
überglücklich, dass Oliver den Ball rein gemacht hat».

Für den Bundestrainer ist dieses Tor, mit dem das letzte
Gruppenspiel der Deutschen gegen Ecuador wohl nur noch über Platz
eins oder zwei und den Gegner im Achtelfinal entscheiden wird,
doppelte Bestätigung, denn beide Spieler warf er in der Schlussphase
ins Rennen. Odonkor ersetzte Verteidiger Friedrich, ein Signal, das
bei der Mannschaft ankam, und Neuville wurde für den wirkungslosen
Podolski eingewechselt.

polen gegen polen. Somit reduzierte sich das Duell Polen gegen
Polen - beide deutschen Stürmer haben ihre Wurzeln im Nachbarland -
auf den Ein-Mann-Angriff Miroslav Klose. Er war wenige Augenblicke
vor Neuvilles Tor an der bis dahin spektakulärsten Szene beteiligt,
als Klose und Ballack an der Querlatte scheiterten.

Der Rest war eine Explosion der Emotionen, auf dem Spielfeld, vor
der Trainerbank der Deutschen und auf den steilen Tribünen der
Dortmunder Fussballburg, wo Deutschland seit 1974 kein Länderspiel
verloren hat.
65 000 Zuschauer bildeten eine unvergleichliche Kulisse und schufen
einen ebenso gewaltigen Lärmpegel, dort, wo es am Montag an den
Schweizer Fans sein wird, ihrer Mannschaft gegen Togo ähnlichen
akustischen Rückenwind zu verleihen.

Für die Polen, die nach dem 0:2 gegen Ecuador eine deutliche
Leistungssteigerung zeigten und lange stabil verteidigten - was auch
auf die Deutschen zutrifft - bleibt eine Serie bestehen: Zum vierten
Mal traten sie bei ihrer siebten WM-Teilnahme gegen den WM-Gastgeber
an, und alle Spiele verloren sie, ohne ein Tor erzielt zu haben.
Die befürchteten Ausschreitungen beim Aufeinandertreffen von
polnischen und deutschen Fans - oder besser gesagt: der
Schlägertrupps, die sich auf den Weg in die WM-Stadt gemacht hatten -
blieben vor dem Spiel zwar aus. Aber die Polizei nahm vorsorglich 60
Polen fest und kesselte 120 Deutsche ein, die Hooligangruppen
zugeordnet wurden. Es flogen Flaschen gegen die Sicherheitskräfte,
die sich auch im Nachgang auf eine brenzlige Lage einstellten.
Während der Partie kam es zu Katz-und-Maus-Spielen zwischen Hooligans
und der Polizei in der Stadt.

Originaltext: Basler Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62558
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62558.rss2

Rückfragen bitte an:
Basler Zeitung
Peter Schibli
peter.schibli@baz.ch


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