Allg. Zeitung Mainz: Die Krise als Chance Kommentar zu Finanzen
Geschrieben am 23-11-2008 |
Mainz (ots) - Die stärkste deutsche Volkspartei sieht sich veranlasst, den großen Aktienunternehmen ins Gewissen zu reden: die sollen sich auf die Tugenden des ehrbaren Kaufmanns besinnen; von Anstand und Ehrlichkeit ist da die Rede. Bundespräsident Köhler hat dieser Tage Demut von den Bankern verlangt. Das ist bezeichnend, und auch ein wenig erschreckend. Es geht nun keineswegs darum, eine Hexenjagd auf "die" Manager zu veranstalten. Aber dass es die CDU mit ihrer Kanzlerin und das deutsche Staatsoberhaupt überhaupt - und dies zu Recht - für notwendig erachten, einzufordern, was eigentlich bare Selbstverständlichkeit sein sollte, spricht Bände. Bei der aktuellen Krise sind moralische Aspekte zumindest genau so wichtig wie ökonomische; im Grunde sind diese Kategorien ohnehin nicht zu trennen. Als 2001 die new economy-Blase platzte, schworen Heerscharen professioneller Spekulanten, privater Zocker und konventioneller Banker heilige Eide, künftig die Kirche im Dorf zu lassen und die Gier im Zaum zu halten. Allein, es waren Meineide. Dass eine Philosophie des unbegrenzten Wachstums früher oder später zum Kollaps führt, hat 1972 der Club of Rome dargetan - und wurde bislang nicht fundamental widerlegt. Jede Krise, auch diese, ist eine Chance zum grundlegenden Nachdenken. Es bleibt abzuwarten, ob sie genutzt wird. Derweil muss die Tagespolitik die schlimmsten Eskalationen verhindern. Das hat sie bislang durchaus mit Anstand getan; nun aber wird es zunehmend hektisch, weil Parteitage vor der Tür stehen, und Wahlen. Da möchte niemand als Versager dastehen. Dass das Zauberwort nun "Steuersenkungen" lauten soll, ist nachvollziehbar. Mehr netto soll den privaten Konsum stimulieren, dürfte derzeit aber eher im Sparstrumpf der verunsicherten Bürger landen. Deshalb ist der Gedanken zwar verführerisch, aber nicht ungefährlich - somit durchaus zu erwägen, aber kein Allheilmittel.
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