Börsen-Zeitung: Gefährliche Lage, Kommentar von Stefan Kroneck zur dramatisch verschärften Krise des Halbleiterkonzerns Infineon
Geschrieben am 03-12-2008 |
Frankfurt (ots) - Die Krise des Halbleiterkonzerns Infineon hat sich dramatisch verschärft. Vorstandschef Peter Bauer macht dafür den Milliardenverlust bei der von der Insolvenz bedrohten Speicherchiptochter Qimonda und den weltweiten Wirtschaftsabschwung verantwortlich. Dies ist aber nur ein Teil der Wahrheit.
Fakt ist, dass vor allem ein Missmanagement in den vergangenen Jahren zu der Misere des Dax-Unternehmens führte. Die Abspaltung des schwankungsanfälligen Speicherchipgeschäfts unter dem Kunstnamen Qimonda vor über zwei Jahren wurde zu spät vollzogen. Andere Wettbewerber hatten seinerzeit eine Abnabelung von risikoreichen Geschäftsteilen längst hinter sich gebracht. Auch beim Ausbau des Logikchipsegments hinkte Infineon der Konkurrenz hinterher.
Für die Versäumnisse der Vergangenheit erhält Infineon nun die Rechnung in Form eines Rekordverlusts von 3,1 Mrd. Euro (nach bisheriger Rechnungslegung gemäß US-GAAP). Nach Bilanzierung gemäß IFRS, auf die Infineon im laufenden Turnus umstellt, hätte sich der Fehlbetrag sogar auf 3,7 Mrd. Euro belaufen. Damit wurden die schlimmsten Befürchtungen der Investoren übertroffen. Kein Wunder also, dass sich die Anleger mit Entsetzen von Infineon abwenden und die Aktie in den Keller schicken. Die Firma, die einst an der Börse über 50 Mrd. Euro wert war, bringt es nur noch auf bescheidene 0,8 Mrd. Euro.
Die Zweifel des Marktes an der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells sind berechtigt. Die Rezession wird 2009 weitere tiefe Löcher in die Bilanz und Erfolgsrechnung des Konzerns reißen. Hält die Wirtschaftsflaute sogar noch 2010 an, wird es für das Unternehmen sehr gefährlich. Binnen eines Jahres verlor Infineon 3,2 Mrd. Euro Eigenkapital. Die Eigenkapitalquote ist mittlerweile auf bedenkliche 25 (i.V. 46)% geschrumpft. Auch die Liquiditätslage ist alles andere als risikofrei, wie Bauer und Finanzvorstand Marco Schröter suggerieren.
Hält die Dynamik des Cash-burn an, sind die verbliebenen Mittel von brutto 0,9 Mrd. Euro auf absehbare Zeit aufgebraucht. Dann hilft auch keine neue Kreditlinie der Banken mehr, um das Unternehmen vor dem Untergang zu retten. Mit einem Schrumpfkurs versucht Bauer, den Fortbestand der Firma zu sichern. Bisher scheut er aber einen radikaleren Umbau. Das Schicksal von Qimonda sollte ihm eine Warnung sein.
(Börsen-Zeitung, 4.12.2008)
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