Börsen-Zeitung: Fauler Kompromiss, Kommentar von Jürgen Schaaf zur Zinsentscheidung der EZB
Geschrieben am 04-12-2008 |
Frankfurt (ots) - Ordentlich gekracht muss es haben im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Anders ist es nicht zu erklären, dass Notenbankchef Jean-Claude Trichet so sehr mit Informationen geizte, nachdem das 21-köpfige Entscheidungsgremium auf seiner auswärtigen Sitzung in Brüssel den Schlüsselzins um 75 Basispunkte auf 2,5% gesenkt hatte. Und dabei ist der Franzose bislang - völlig zu Recht - stolz auf die Berechenbarkeit seines Hauses gewesen.
Diesmal wollte er aber weder Signale geben, wie die EZB in den kommenden Monaten gegen den freien Fall der Wirtschaft vorgehen will, noch ließ er erahnen, welche Alternativen zu dem Dreiviertelprozentpunkt diskutiert worden waren. Die Entscheidung sei "im Konsens" gefallen, gestand Trichet ein, was auf eine deutlich holprigere Abstimmung hindeutet, als wenn der Beschluss "einhellig" gefällt worden wäre. Letztere Formulierung wählt Trichet normalerweise, um die Geschlossenheit seines Teams zu demonstrieren. Offenbar haben sich zwei Lager im EZB-Rat gebildet: Eine Gruppe plädiert angesichts der Rezession in Europa und dem Rest der Welt sowie der sich global in Luft aufgelöst habenden Inflationsgefahren füraggressive Zinssenkungen. Demgegenüber bezweifeln die Zögernden, dass zinspolitische Impulse derzeit im realwirtschaftlichen Sektor ankommen, weil der Interbankensektor kollabierte. Das zweite Lager möchte warten, bis die robusten Banken aufhören, Liquidität zu horten, sondern diese an andere Kreditinstitute weitergeben.
In einem faulen Kompromiss hat man sich geeinigt, den Leitzins etwas mehr zu senken, als den Märkten noch in den vergangenen beiden Wochen mit 50 Basispunkten in Aussicht gestellt worden war. Dass mehr gerechtfertigt gewesen wäre, zeigen die deutlich aggressiveren Maßnahmen der Bank von England und anderer.
Zwar ist es richtig, dass die EZB alles in ihrer Macht Stehende tun muss, um den Interbankenmarkt und die Kreditvergabe wiederzubeleben. Dazu können auch gutes Zureden und womöglich Druck auf einzelne Kreditinstitute zählen. Das sollte sie aber nicht davon abhalten, den Leitzins auf das Niveau zu bringen, das ökonomisch geboten ist. Der aktuelle Stand von 2,5% ist immer noch zu hoch. Die EZB sollte den Schlüsselzins zügig auf 2% oder darunter schleusen. Am besten schon im Januar.
(Börsen-Zeitung, 5.12.2008)
Originaltext: Börsen-Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2
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