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Börsen-Zeitung: Im Billionenrausch, Leitartikel von Claus Döring zur Finanzkrise, der von ihr ausgelösten Rezession und den finanz- und wirtschaftspolitischen Implikationen

Geschrieben am 30-12-2008

Frankfurt (ots) - Das Display handelsüblicher Taschenrechner
reicht nicht aus, um die "Zahlen des Jahres" 2008 anzuzeigen. Mit
ihrem 700-Mrd.-Dollar-Rettungspaket für die amerikanische
Finanzindustrie machte die US-Regierung den Anfang, es folgten in
Europa staatliche Garantien und Kapitalspritzen für die Banken, die
sich auf 1,9 Bill. Euro summieren. Aber auch die Verluste der
Investoren erreichen kaum fassbare Dimensionen: An den Aktienmärkten
der Welt haben sich 2008 mehr als 28 Bill. Dollar
Marktkapitalisierung verflüchtigt.

Die "Zahlen des Jahres" 2009 werden erst recht den Rahmen üblicher
Darstellung, vor allem aber unserer Vorstellung, sprengen. Wer vermag
die unglaubliche Zahl von bis zu 8 Bill. Dollar zu erfassen, mit
denen allein die USA unter ihrem neuen Präsidenten Barack Obama die
Wirtschaft beleben wollen - sei es durch staatliche Finanzhilfen, sei
es in Form von Konjunkturprogrammen. Die Welt im Billionenrausch.
Alles dient einem Zweck: eine schwere Weltwirtschaftskrise zu
verhindern oder zumindest zu mildern. Wie einst Freiherr von
Münchhausen will man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Und
nicht nur in den USA rufen die Politiker den skeptischen Bürgern zu:
Yes, we can. Schon vergessen, dass man Münchhausen auch den
"Lügenbaron" nannte?

Ebenfalls schon vergessen scheint, warum es zur Finanzkrise kam.
Das Risiko hatte keinen adäquaten Preis. Bei den amerikanischen
Immobilienfinanzierungen nicht, bei den synthetischen Finanzprodukten
nicht und auch nicht bei den mit hohem Fremdkapitaleinsatz gehebelten
Unternehmenskäufen. Heute aber glauben Notenbanker, Politiker und
manche Ökonomen allen Ernstes, ausgerechnet mit weiterer Verbilligung
des Risikos aus der Krise zu kommen. Die Leitzinsen der Notenbanken
fallen Richtung Null oder liegen real schon darunter.

Die Nullzinspolitik ist die falsche Antwort auf die Finanzkrise
und die davon ausgelöste Rezession. Zu bekämpfen sind die Ursachen,
nicht die Symptome. Die Ursache für die Krise und deren Eskalation
war der plötzliche Vertrauensverlust nach der Lehman-Pleite. Keine
Bank hatte mehr Kredit im wahrsten Wortsinn. Kreditwürdigkeit und
damit Vertrauen kehrt nicht zurück, indem man den Preis für
Vertrauen, also den Zins, senkt.

Wenn die zinspolitische Munition verschossen ist, wird im neuen
Jahr direkt Geld in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden,
euphemistisch als "Quantitative Easing" verkauft. Erleichtern wird es
vor allem eines: den Marsch in den Schuldenstaat. "Erleichtern" wird
es aber auch das Vermögen vieler Bürger. Denn die unausweichliche
Folge der absehbaren und von den Notenbanken finanzierten
Verschuldungsorgie wird Inflation sein. Vielleicht noch nicht 2009,
aber danach.

In den USA mag Inflation keine beängstigende Perspektive sein.
Denn mit den staatlichen Schulden werden auch die privaten Schulden
entwertet. Und finanziert haben den Amerikanern das öffentliche und
private Leben auf Pump seit Jahren die Gläubiger in Asien, vor allem
China und Japan. Sie und die Europäer tragen wohl auch diesmal den
Großteil der Anpassungslast. Jedenfalls dann, wenn sie sich nicht auf
einen Abwertungs- und Subventionswettlauf mit den USA einlassen
wollen.

Das Pendant zum verlorenen Kredit unter den Banken ist das
angeschlagene Vertrauen der Menschen in die Funktionsfähigkeit der
Marktwirtschaft. Banken wie auch Bürger rufen nach dem Staat. Der
Staat hat, so viel ist richtig, seine Rolle als Ordnungskraft und
Kontrolleur zu lax gehandhabt, um das Marktversagen zu verhindern.
Nun aber droht Gefahr, dass dem Staat zu viel zugetraut wird, dass
die Krise des Finanzkapitalismus in den führenden Industrieländern in
eine neue Form des Staatskapitalismus mündet. Doch der Staat ist
weder der bessere Banker noch der bessere Unternehmer. Vor allem darf
eines bei den bevorstehenden Billionen-Programmen der Regierungen
nicht vergessen werden: Die Haftungsmasse des Staates ist nicht
privates Kapital, sondern das Geld der Steuerzahler.

(Börsen-Zeitung, 31.12.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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