WAZ: Grass und die deutsche Einheit - Auch Dichter können irren - Leitartikel von Wolfgang Platzeck
Geschrieben am 28-01-2009 |
Essen (ots) - Mit der Distanz von fast zwei Jahrzehnten, die zwischen der Niederschrift und der Veröffentlichung vergangen sind, könnte man Günter Grass' Tagebuchaufzeichnungen des Vereinigungsjahres 1990 mit einer Mischung aus Interesse, Nachdenklichkeit, Nostalgie und etwas Amüsiertheit zu Kenntnis nehmen - und das Buch dann ins Regal stellen. Abteilung Sachbuch/Zeitgeschichte. Denn erwähnenswerte literarische Qualitäten hat das neue Werk des Literatur-Nobelpreisträgers nicht.
Was hat Grass 1989/1990 nicht alles prognostiziert. Er - nicht nur er, aber kaum sonst einer ähnlich verbissen - hat als Folge der Vereinigung die Wiedergeburt eines zentralistischen, für Nachbarländer gefährlichen Groß-Deutschland beschworen. Er hat für das Zusammenbrechen der DDR-Wirtschaft die vorschnelle Währungsunion verantwortlich gemacht (was konnte im Pleitestaat DDR eigentlich noch kollabieren?).
Grass hat statt den von Helmut Kohl ziemlich voreilig versprochenen blühenden Landschaften in den Neuen Ländern eine durch die Treuhand mutwillig herbeigeführte Totalversteppung vorausgesagt. Er hat die Einführung des Euro verteufelt (der unbestreitbar ein Stützpfeiler des Europäischen Hauses ist). Er hat sogar ein Ost-Land wie Polen, das nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems die neue Freiheit auskosten wollte, davor gewarnt, sich der "landzerstörenden Kraft" der EU und ihrer Brüsseler Zentrale auszuliefern.
Grass, der sich als Dichter stets im Wettlauf mit den Utopien von gestern und morgen sah und der vor politischen Stellung- bzw. Parteinahmen nie zurückschreckte, hat all das 1989/1990 tatsächlich befürchtet. An der Aufrichtigkeit seiner Mahnungen besteht kein Zweifel, auch wenn manch verbale Entgleisung heute stört. Unter dem Strich aber muss man sagen: Das alles ist Geschichte, die vielen jungen Leuten heute sogar, leider, gar nicht mehr bekannt ist. Vieles ist von der Entwicklung überholt, widerlegt worden. Haben wir je in einem besseren Europa gelebt?
Man könnte also das Buch getrost nach der Lektüre zur Seite stellen. Grass hat sich geirrt. Irren ist menschlich. Doch Günter Grass, der sich immer mehr die Attitüde des Nationaldichters gibt, reklamiert für sich Unfehlbarkeit. Schon vor zwei Wochen, als noch niemand das Buch hatte lesen können, beharrte er medienwirksam auf seiner alten Kritik an der Vereinigung und ihren Folgen. Er wolle, meinte er, "einigen Sonntagsrednern in die Suppe spucken". Nein, diese Suppe ess' ich nicht!
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: 0201 / 804-2727 zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
183238
weitere Artikel:
- WAZ: Sie kamen als Freunde - Kommentar von Michael Vaupel Essen (ots) - Die Außerirdischen sollen den Abflug machen. So jedenfalls will es der Architekt Wolfgang Christ, der das Tetraeder für das "Haldenereignis Emscherblick" in Bottrop entwarf. Die in der Tetraeder-Mulde vom Bottroper Fred F. aus unzähligen Steinen zusammengelegten Alien-Figuren stören Christs Gesamtkonzept. Komischerweise stören sie viele der Haldenbesucher nicht. Vielleicht sind die ja schon einen Schritt weiter: Weil sie erkannt haben, dass diese Aliens durchaus putzige Revier-Besucher sind. Egal, ob es sich dabei um wirklich mehr...
- Neue OZ: Kommentar zu Kulturstadtjahr 2010 Osnabrück (ots) - Guter Zeitpunkt Die Nachrichten waren ernüchternd, die man in den vergangenen Monaten von den Vorbereitungen für das Kulturstadtjahr im Ruhrgebiet hörte. Zuletzt mussten die Organisatoren auch um wichtige Sponsorengelder bangen. Doch das scheint nun Vergangenheit zu sein: Dank eines neuen Hauptsponsors ist der geplante Etat fast komplett. Ein peinliches Finanzdebakel wie das der aktuellen Kulturhauptstadt Vilnius, die ihren Etat um 40 Prozent kürzen musste, wird der Ruhr.2010 wohl erspart bleiben. Jetzt kann und mehr...
- 100 Musiker, 50 Ort, 1 Konzert: Simone Young und die Philharmoniker Hamburg machen die Hansestadt am 2. März 2009 zum größen Konzertsaal der Welt Hamburg (ots) - - Querverweis: Bildmaterial wird über obs versandt und ist abrufbar unter http://www.presseportal.de/galerie.htx?type=obs - Am 2. März 2009 machen die Philharmoniker Hamburg ihre Stadt zum größten Konzertsaal der Welt: 100 Musiker spielen an 50 Orten 1 Konzert! Dazu verlässt das traditionsreiche Hamburger Orchester das Konzertpodium und verteilt sich im Stadtgebiet. Auf dem Programm steht die 2. Sinfonie von Johannes Brahms. Generalmusikdirektorin Simone Young stellt ihr Dirigentenpult in 108 Meter Höhe auf mehr...
- Schriftsteller lesen vor der Kamera / Erlesen.TV vereint wöchentliche Autoren-Lesung und Kultursendung in neuem Sendekonzept Hamburg (ots) - Kamera ab für erlesen.TV: am 30.01.2009 startet das neue Sendeformat, das Autoren-Lesung und Kultursendung vereint. Jede Woche stellt ein Schriftsteller sein aktuelles Buch in einer Lesung vor. Ergänzt wird die halbstündige Folge durch ein kurzes Porträt und die Rubrik "viereinhalb Fragen", in denen sich der Autor den Zuschauern sehr persönlich präsentiert. Der Gast der ersten Sendung ist Klaus-Peter Wolf, der mit über acht Millionen verkauften Büchern, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurden, zu den erfolgreichsten mehr...
- "Hollywoodstar besucht Niendorf" Hamburg (ots) - Hollywoodstar und Bildgirl Claudia Ciesla wird vom 1. bis zum 3. Februar im Tonstudio von Musikproduzent Sören Schnabel zu Besuch sein. In Hamburg Niendorf wird Cielsa 2 hitverdächtige Songs einsingen, die Sören Schnabel extra für sie produziert hat. Claudia Ciesla fand die Songs beim Anhören so schön, dass sie sich sofort entschloss mit Produzent Sören Schnabel zusammenzuarbeiten. Auf der später fertig gemasterten CD werden 3 Titel erscheinen. Der genaue Veröffentlichungs-Termin für 2009/2010 ist jedoch noch nicht mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Alles rund um die Kultur
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
Pinocchio erreicht Gold in Deutschland mit Top-3-Hit "Klick Klack" - "Mein Album!" erscheint am heutigen Tag - Neue Single "Pinocchio in Moskau (Kalinka)" folgt am 17. März
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|