Allg. Zeitung Mainz: Großreinemachen angesagt (Kommentar zum Vatikan)
Geschrieben am 04-02-2009 |
Mainz (ots) - Wer sich mit dem Leben und der Arbeit von Papst Benedikt XVI. beschäftigt, wird unschwer erkennen, dass jeder Versuch, den Papst aus Deutschland auch nur der Nähe zum Antisemitismus zu bezichtigen, blanker Unfug ist. Wie seine Vorgänger hat auch er immer wieder sehr deutlich gemacht, dass es für Antisemitismus in der katholischen Kirche keinen Platz gibt und dass es keine Leugnung des Holocaust geben kann und darf. Deshalb muss man dem deutschen Papst - zumindest persönlich - glauben, wenn er sagt, er habe von den Holocaust-Leugnungen des britischen Bischofs Williamson nichts gewusst, als er ihm den Weg zurück in die Kirche zu ebnen begann. Es stellt sich dann aber die Frage, warum der Papst davon nichts gewusst hat? Warum hat er, als das Interview längst rund um den Erdball publiziert war und sich vor allem auch die deutschen Bischöfe laut und deutlich zu Wort gemeldet hatten, erst nach Tagen die Notbremse ziehen lassen? Warum hat er in der gestrigen Generalaudienz über Paulus und Petrus philosophiert, statt die Gelegenheit zu nutzen, vor aller Welt ganz persönlich gegen Williamson Position zu beziehen und diesem ein klares Ultimatum zu stellen? Weltfremd kann Benedikt XVI. nicht sein, sonst hätte er gestern nicht die aktuellen Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka angeprangert. Die Antwort kann also nur bei denen zu finden sein, die im Vatikan dem Heiligen Vater zuarbeiten, die ihm den Rest der Welt täglich - offenbar mehr als wohldosiert - nahe bringen. Sind sie alle so reinen Herzens und aufrichtiger Gesinnung wie der Papst aus Deutschland? Nachdem, was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben, sind Zweifel angebracht. Der Aufschrei rund um den Globus hat auf eindrucksvolle Weise aber auch gezeigt, dass man den Papst, den Vatikan, ja die gesamte katholische Kirche nach wie vor als hohe moralische Instanz anerkennt. Daraus sollte man in Rom lernen und ganz schnell auch Konsequenzen ziehen: Ein politisches Großreinemachen im Vatikan wäre zum Beispiel so eine Konsequenz.
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