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WAZ: Klage gegen EU-Reformvertrag - Unplausible Einwände - Leitartikel von Knut Pries

Geschrieben am 10-02-2009

Essen (ots) - Die Karlsruher Verfahren gegen den EU-Vertrag
gehören mittlerweile zur deutschen Politik wie "Dinner for one" zu
Silvester. Peter Gauweiler ist Freddie Frinton: Steht in Deutschland
die Ratifizierung einer neuen Geschäftsordnung der Europäischen Union
an, sind der CSU-Abgeordnete und sein Rechtsbeistand Karl Albrecht
Schachtschneider zuverlässig zur Stelle. Ihre Einwände sind in der
jetzt anhängigen Runde nicht plausibler geworden.

Prinzipiell gibt es zwei fundamentale Kritikpunkte: die
schleichende Zentralisierung und das Demokratiedefizit. "Brüssel"
habe die Neigung, immer mehr politische Zuständigkeiten an sich zu
ziehen. Zugleich schwinde die Möglichkeit des Bürgers, an den
Entscheidungen mitzuwirken. Beide Probleme gibt es, sie sind nicht
eingebildet. Es handelt sich aber nicht um Fehlentwicklungen, die mit
dem Lissabon-Vertrag verknüpft wären. Der neue Vertrag tut vielmehr
einiges, sie zu korrigieren.

Eine große Verschiebung nationaler Souveränität nach Brüssel
findet diesmal nicht statt. Ein paar Bereiche kommen hinzu, in denen
die EU künftig tätig werden darf - Asylregeln, Gesundheitsförderung,
Raumfahrt, Katastrophenschutz, Energiepolitik, Tourismus - das war's.
Dass damit der entscheidende Schritt zum eigenen Bundesstaat Europa
getan sein soll, ist beim schlechtesten Willen nicht zu sehen.

Dafür werden die EU-Zuständigkeiten schärfer abgegrenzt und
erstmals rückholbar gemacht. Vor allem aber wird die Frage der
Zuständigkeit einer systematischen Kontrolle unterworfen. Dabei
spielen die nationalen Parlamente eine Hauptrolle. Sie bekommen
erhebliche Befugnisse, dem europäischen Regulator in den Arm zu
fallen und ihn zu stoppen, wo immer er übers Ziel hinaus schießt.

Der Bundestag und die Volksvertretungen der anderen
Mitgliedsstaaten werden also nicht von der politischen Gestaltung auf
europäischer Ebene weiter abgeschnitten, sondern im Gegenteil
erstmals nennenswert in dieselbe einbezogen. Mit Recht hat
Verfassungsgerichtspräsident Papier vielmehr von einer "Stärkung des
demokratischen Elements" gesprochen.

Was natürlich nicht heißt, dass Europa eine bürgernahe
Veranstaltung wäre. Das Gegenteil ist leider der Fall. Aber dem Übel
ausgerechnet durch die Verhinderung eines Vertrages beikommen zu
wollen, der es immerhin lindert, ist so präzise wie Freddie Frinton
bei seinen Bemühungen ums Rotweinglas: voll daneben.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


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