'Börse-Online'-Interview mit Reinhard Selten: Nobelpreisträger verteidigt Bankmanager

München (ots) - Nicht persönliche Gier, sondern falsche Anreize
für Fehlspekulationen verantwortlich: "Man kann sie nicht dafür
schelten" / Lob für Konjunkturpakete: "Sammelsurium an Maßnahmen ist
positiv" / Beipackzettel für Finanzprodukte gefordert

Nobelpreisträger Reinhard Selten hat Bankmanager gegen den Vorwurf
verteidigt, sie hätten die Finanzkrise durch ihre Gier verursacht.
"Es war durchaus rational, wie die Manager gehandelt haben. Man kann
sie nicht dafür schelten", sagte Selten im Interview mit der
Anlegermagazin 'Börse Online' (Ausgabe 11/2009, EVT 5. März).
Hauptgrund für die Fehlspekulationen seien falsche Anreize gewesen.
Begründung: Risikoreiche Titel hätten über Jahre gute Renditen
abgeworfen. "Wenn jemand im Aufschwung die toxischen Papiere nicht
gekauft hätte, wäre er von seinen Geldgebern gefragt worden: Warum
machen wir nicht dieselben Gewinne wie andere auch?", argumentierte
Selten.

Der Ökonom verteidigte im 'Börse Online'-Interview auch die
Konjunkturpakete der Bundesregierung. "Viele sagen, das sei ein
Sammelsurium von Maßnahmen - genau das finde ich aber positiv", hob
Selten hervor. Es sei der richtige Ansatz, viele unterschiedliche
Dinge auszuprobieren. "Wir wissen nicht, was wirklich hilft; wir
kennen nicht die Nebenwirkungen. Da ist es besser, mehrere Maßnahmen
zu ergreifen, weil verschiedene Nebenwirkungen sich vielleicht auch
ausgleichen", erklärte der emeritierte Professor.

Selten unterstützt darüber hinaus Forderungen, einen Beipackzettel
für Finanzprodukte einzuführen. "Ich habe große Sympathie für diesen
Vorschlag." Dieses verpflichtende Schriftstück solle in knapper Form
zeigen, wo die Risiken eines Angebots liegen und wie groß sie sind.
"Es muss Transparenz geben, wo das Risiko liegt", betonte Selten
gegenüber 'Börse Online'. Verbraucherverbände fordern schon seit
längerem solche Zusatzinformationen.

Selten ist der einzige Deutsche, der bislang den Nobelpreis für
Wirtschaft erhalten hat. Er bekam die Auszeichnung 1994 gemeinsam mit
dem Amerikaner John F. Nash und dem gebürtigen Ungarn John C.
Harsanyi. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete der heute 78-Jährige
als Professor für Volkswirtschaft in Bonn.

Originaltext: Börse Online, G+J Wirtschaftsmedien
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