Behördenmessungen bestätigen hohe Bleiemissionen in der Umgebung der Abfallanlage Pohritzsch
Geschrieben am 05-03-2009 |
Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht neue Untersuchungsergebnisse und fordert sofortige Schutzmaßnahmen für die Anwohner - Sächsisches Umweltministerium übergibt DUH amtliche Ergebnisse von Staubniederschlagsmessungen - bis zu 23-fache Überschreitung des Grenzwertes für Blei - DUH-Bundesgeschäftsführer Resch fordert Stopp der Schwermetallemissionen durch teilweise oder vollständige Stilllegung der Anlage
Amtliche Messdaten bestätigen die von der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) vor zwei Wochen bekannt gemachten hohen Schwermetallbelastungen im Umfeld der Abfallbehandlungsanlage der Firma S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH im nordsächsischen Pohritzsch. Bereits seit Oktober 2008 lagen den zuständigen Landesbehörden in Sachsen Messdaten aus Staubmessungen vor, die bis zu 23-fache Überschreitungen von Bleigrenzwerten auswiesen. Das geht aus der Antwort des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft auf eine DUH-Anfrage hervor.
Insgesamt 14 von 16 zwischen September 2008 und Januar 2009 durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie vorgenommenen Messungen ergaben deutliche Grenzwertüberschreitungen von Blei. Bei einem Messpunkt in der Hauptwindrichtung der Anlage war der erlaubte Jahresmittelwert nach nur einem Monat Messungen schon um fast das Doppelte überschritten. Die vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und dem Anlagenbetreiber selbst nach den DUH-Veröffentlichungen in der vergangenen Woche veranlassten Bodenanalysen bestätigen die Ergebnisse der Staubimmissionsmessungen im Grundsatz: Die Schwermetallkonzentration steigt mit der Nähe zur Anlage. Darüber hinaus liegen die festgestellten Schwermetallkonzentrationen im Oberflächenmaterial fast ausnahmslos höher als in tieferen Erdschichten. Damit scheint erwiesen, dass die erhöhten Schwermetallwerte durch Staubemissionen aus dem Anlagenbetrieb stammen.
"Der Schwermetalleintrag durch die Abfallbehandlungsanlage ist nach Ansicht der DUH offensichtlich. Es gibt in der Umgebung keine anderen Emittenten, die ein ähnliches Emissionsspektrum aufweisen könnten", stellte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fest. Seine Konsequenz: "Die Behörden müssen nun unverzüglich handeln und einer weiteren Belastung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt durch die Stilllegung der Anlage oder eine wirksame Einschränkung ihres Betriebs einen Riegel vorschieben."
Bereits im Februar 2008 hatte die DUH die Behörden in Sachsen auf die erkennbar hohen Staubbelastungen um die Abfallbehandlungsanlage in Pohritzsch aufmerksam gemacht und die Überprüfung der Belastung mittels Bodenproben gefordert. Seinerzeit aufgenommene Fotos ließen vermuten, dass die vor Ort beobachtete Staubbelastung direkt von der Abfallbehandlungsanlage ausging. Trotzdem wurden erst mit siebenmonatiger Verspätung die Staubmessungen des Landesamts für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie eingeleitet. Die behördlichen Bodenproben wurden sogar erst veranlasst, nachdem die DUH vor zwei Wochen Analyseergebnisse eigener Bodenproben veröffentlicht hatte.
Die schließlich in der vergangenen Woche vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und Anlagenbetreiber durchgeführten Bodenanalysen ergaben zwar ebenfalls erhöhte Konzentrationen von Blei und Cadmium in der Umgebung der Anlage; die von der DUH festgestellten 6- bzw. 11-fachen Überschreitungen der Grenzwerte für Blei und Cadmium wurden jedoch an den von den Behörden abweichend ausgewählten Messpunkten nicht bestätigt. Resch: "Eine Überraschung ist das angesichts der ausgewählten Messpunkte nicht. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie hat in der Luft massive Belastungen von Blei festgestellt. Was in die Luft geblasen wird, kommt auch wieder herunter, die Frage ist nur wo. Wenn die Auffälligkeiten in den Bodenproben vergleichsweise gering sind, drängt sich der Verdacht auf, dass die Bodenproben an den falschen Stellen genommen wurden oder dort, wo von vornherein keine hohen Belastungen zu erwarten waren".
Tatsächlich stammen sieben der insgesamt zehn behördlichen Proben von Orten, die entgegen der Hauptwindrichtung der Anlage liegen. Keine der Proben wurde entlang der Straße genommen, die vom LKW-Verkehr zu und von der Anlage genutzt wird und dies, obwohl Anwohner im Zusammenhang mit der Abfallbehandlungsanlage seit Jahren auf staubige und verdreckte Fahrzeuge hinweisen. Obwohl die DUH sowohl dem Staatsministerium als auch der Landesdirektion Leipzig die Orte der Probenahme der DUH-Proben mit hohen Grenzwertüberschreitungen beschrieben und entsprechende Fotos bereitgestellt hatte, wählten die Behörden für ihre Bodenanalysen durchgängig andere Probenahmestellen. "Es ist auffällig, dass gerade dort, wo Staubbelastungen deutlich erkennbar waren und wo zum Beispiel Kinder und Hunde in Direktkontakt mit dem Boden treten können, keine Proben entnommen wurden", sagte Maria Elander, die Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH.
Die DUH hat deshalb am gestrigen Mittwoch (4. März) weitere neun Bodenproben an öffentlich zugänglichen Stellen in der Umgebung der Anlage veranlasst. Sowohl die Probenahme als auch die anschließende Analyse werden von einem akkreditierten Prüflabor durchgeführt und entsprechend dokumentiert. Die Ergebnisse werden in der kommenden Woche vorliegen.
Für die DUH unverständlich hat das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie im Rahmen seiner Staubimmissionsmessungen bisher auf die Analyse der ebenfalls hochgiftigen Schwermetalle Quecksilber, Nickel, Cadmium, Arsen und Thallium verzichtet, obwohl die Überwachungsvorschrift der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) für diese Schwermetalle explizit Grenzwerte festlegt. Stattdessen habe das Landesamt die Chrom- und Zinkgehalte - für welche es keine relevanten Grenzwerte gibt - analysieren lassen. Das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft hat nun gegenüber der DUH zugesagt, im Nachgang der von der DUH festgestellten hohen Cadmiumbelastungen nachträglich die Cadmiumkonzentration in den Rückstellproben überprüfen zu lassen und bis August 2009 den Prüfumfang der laufenden Staubimmissionsmessungen um Cadmium zu erweitern.
Die DUH hat am vergangenen Freitag Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den nordsächsischen Landrat Michael Czupalla und den Präsidenten der Landesdirektion Leipzig, Walter-Christian Steinbach eingereicht, außerdem Strafanzeige gegen Unbekannt. "Den Behörden lagen bereits im Oktober Messergebnisse vor, die in der Umgebung der Abfallbehandlungsanlage enorme Bleibelastungen im Staub auswiesen. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung wie es passieren konnte, dass die Behörden nicht sofort mit dem Ziel gehandelt haben, den erkennbar nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage zu unterbinden", erklärte Elander. Ziel der Anzeige und Dienstaufsichtsbeschwerden sei es, bei ähnlich gelagerten Fällen in der Zukunft ein distanzierteres Verhältnis zwischen Anlagenbetreibern und Überwachungsbehörden zu schaffen. Resch: "Die Praxis, dass der Betreiber einer solchen Anlage, sich nicht nur mit Duldung der Behörden, sondern teilweise auf deren ausdrückliche Forderung selbst kontrolliert, muss ein Ende haben. Was wir hier erleben, grenzt an Kumpanei - zu Lasten von Umwelt und Bürger".
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
Pressekontakt: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400 867-19, E-Mail: resch@duh.de
Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Fax: 030 2400867-19, Mobil: 0160 5337376, E-Mail: elander@duh.de
Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-21, Fax: 030 2400867-19, Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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