Berliner Morgenpost: Der neue Hass wird keine Chance haben - Kommentar zur Rückkehr des Terrorismus nach Nordirland
Geschrieben am 10-03-2009 |
Berlin (ots) - Nordirland galt seit Mai vergangenen Jahres als beinahe befriedetes Territorium; damals gebar der Friedensprozess eine gemeinsame Regierung zwischen ehemaligen Todfeinden auf protestantischer und katholischer Seite. Noch nicht ganz im Frieden mit sich selber - dazu hatten die 30 Jahre des Bürgerkrieges zu tiefe Wunden geschlagen. Aber doch in Frieden mit einer Zukunft, an der endlich gemeinsam gearbeitet wird, als Bollwerk auch gegen jeden Rückfall in den Terrorismus von einst. Doch dieser hat sich zurückgemeldet, als wollte die Mordlust erneut das Heft in die Hand bekommen. An den Zielen der Attentate vom Sonnabend und Montagabend erkennt man die alte Handschrift: britische Soldaten und ein Mitglied der nordirischen Polizei. Das genau sind die Gruppen, auf die es der Untergrund abgesehen hat. Das verhasste Militär der "Besatzer" und deren Handlager bei der Aufrechterhaltung der Ordnung. Die Remilitarisierung der irischen Frage - die Vereinigung von ganz Irland mit gewaltsamen Mitteln - ist längst als Utopie erkannt und überwunden worden, vor allem von der IRA, deren Mordkampagne gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts an diesem Ziel blutig scheiterte. Was kann hinter der Rückkehr zu abgestorbenen Zielen stehen? Zunächst der Selbstzweck, wie er typisch ist für Splittergruppen, über welche die Geschichte hinweggegangen ist: Eben diese Geschichte soll mit krimineller Unbelehrbarkeit verhöhnt werden. Das Zweite betrifft "den Feind" und die Stunde der Attentate: Sie ist geschickt gewählt und vertieft das Gefühl der Lähmung, das die britische Gesellschaft als Folge der Finanz- und Bankenkrise befallen hat. Das haben die Terroristen von Ulster mit denen im Irak oder den jüngsten Attentätern im hoch anfälligen Pakistan gemeinsam: die Labilität der Zeitgeschichte und ihrer Strukturen maximal für sich auszunutzen. Nicht zuletzt hofft der kriminelle Untergrund, die Ordnung "über Tage", das Einvernehmen unter den Partnern in der Belfaster Regierung, zu vergiften. Da liegt unmittelbar die größte Gefahr und die größte Herausforderung für die Wahrer der nordirischen Zivilgesellschaft: sich nicht auseinanderdividieren zu lassen zu neuem Misstrauen, neuem Hass. Die Verantwortlichen in Belfast sind sich dieser Gefahr nur allzu bewusst, und so haben sie gestern entschiedene Eintracht demonstriert, um niemanden in Zweifel zu lassen, dass sich die Terror-Splittergruppen in Nordirland auf niemanden von Belang stützen können. Die Attentate anno 2009 sind destruktive Akte Einzelner, während in der Hochzeit des Bürgerkrieges jeweils ein breites Umfeld die eine oder andere Untergrundseite schützend - und bedrohlich - umgab. Das ist heute verschwunden. Aber der Terror geht asymmetrisch vor, mit unterschiedlichen Waffen und doch höchst effektiv. Das macht ihn gefährlich und weiterhin explosiv. Jetzt auch wieder in Nordirland.
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