Berliner Morgenpost: Ein Lehrstück zum Umgang mit dem Internet
Geschrieben am 13-03-2009 |
Berlin (ots) - Ein Lehrbeispiel besonderer Art ist die Panne, die am Donnerstag dem baden-württembergischen Innenminister Heribert Rech (CDU) bei der Bekanntgabe von Ermittlungsergebnissen zum Amok in Winnenden unterlaufen ist. Rech hatte aus einen nicht verifizierten Internet-Dialog zitiert, der ein Licht auf Motiv- und Gemütslage des Amokläufers zu werfen schien. Sofort begann die Interpretationsmaschinerie Erklärungen zu liefern, Experten bewerteten, Politiker schlussfolgerten. Aus einem "Nachrichtenbild" wurde ein bundesweites Meinungsbild, das sich 24 Stunden später schon als mutmaßlich völlig substanzlos erwies - obwohl "es" doch "im Internet" gestanden hatte?! Es soll hier nicht darum gehen, einem Innenminister, der im Dauerstress einer beispiellosen Krisenlage von der ersten Stunde an eine recht passable Figur abgegeben hat, einen einzelnen Fehler nachzukarten. Viel interessanter ist das Zustandekommen dieses Fehlers, vor dem jeder Einzelne von uns jeden Tag aufs Neue ebenso wenig gefeit ist wie ein Innenminister mit seinem vielköpfigen Ermittlungsstab. Denn mit der Behauptung "es stand im Internet" wird mittlerweile bald jeder Blödsinn in die Welt gesetzt. Ganz abgesehen von gezielten Fälschungen, die uns in unserem Glauben an die scheinbare Authentizität der elektronischen Wundermaschine irreleiten. Wenn dann noch "Zeugen" bestätigen, wie im vorliegenden Falle, dieses oder jenes "im Internet" gelesen zu haben, ist die Desinformationsspirale schon gar nicht mehr zu stoppen. Das sollte unserer Begeisterung für das neue Medium World Wide Web und seinen ungeheuren Möglichkeiten, Raum- und Zeitschranken zwischen Kontinenten zu überbrücken und die Menschheit miteinander ins Gespräch zu bringen, keinerlei Abbruch tun - zumal am Vorabend seines 15-jährigen Bestehens. Vieles, was wir uns vor ein paar Jahren noch gar nicht vorstellen konnten, macht das Internet heute möglich. Nicht zuletzt die ungeheuer kostengünstige Art einer völkerverbindenden Kommunikation in Form von Text, Bild und Video für jedermann. Vieles kann heute von vielen gemeinsam neu gedacht werden durch das Internet. Und noch mehr kann an Neuem getan werden, seitdem es das Internet gibt. Eine alte Wahrheit aber hat sich nicht geändert und wird sich auch nicht ändern: Informationen haben nur so viel Wert, wie der gute Namen dessen, der sie verbreitet. In jenen Bereichen des Internets aber, wo Anonymität der Personen die Regel ist, das Geschnatter von Unbekannten vorherrscht, jegliche Authentizität im Netzrauschen untergeht, dort wird nicht wahrhaftige Kommunikation begründet, sondern Desinformation. Das Internet ist außerhalb der Sphäre professionell Informationen verarbeitender Markenartikler vielfach nur globaler Stammtisch, oftmals Spielfläche von Deppen, Fälschern und Verrückten. Dies sich zu vergegenwärtigen, in diesem Sinn Medienkompetenz zu erlangen, ist nicht nur das Problem von "gefährdeten" Jugendlichen. Es ist unser aller Problem. Sogar das von Ministern.
Originaltext: Berliner Morgenpost Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
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