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Europas Energiepolitik: War der Weckruf laut genug?

Geschrieben am 03-03-2006

Essen (ots) - "Ich glaube, dass die Ereignisse im Januar ein
Weckruf waren, der uns gezeigt hat, dass die Energiesicherheit auf
die Agenda muss", ja sie müsse sogar ins Zentrum der europäischen
Politik rücken. Dies sagte kürzlich EU-Außenkommissarin
Ferrero-Waldner in einem Interview mit der Financial Times
Deutschland unter Bezug auf den russisch-ukrainischen Erdgaskonflikt
und seine Auswirkungen auf die Mitgliedsstaaten der EU zum
Jahresbeginn. Auch nach Auffassung von Bundeswirtschaftsminister Glos
hat dieser Vorgang aus deutscher und europäischer Perspektive das
Bewusstsein geschärft, "wie sehr wir auf den Energieimport angewiesen
sind" und dass "diese Abhängigkeit verringert werden muss". Deshalb
gehöre die Energiepolitik, wie er unlängst gegenüber der
Wirtschaftswoche erklärte, derzeit zu den dominierenden Fragen in
Deutschland und der EU. Frank Umbach, Experte für internationale
Energiesicherheit des Forschungsinstituts der DGAP (Deutsche
Gesellschaft für Auswärtige Politik), spricht bereits drastisch von
"Europas nächstem kalten Krieg" und mahnt dringend ein EU-Konzept zur
Energieversorgungssicherheit an.

Die Themen Energiesicherheit und langfristige Energiestrategie
werden gegenwärtig so intensiv diskutiert wie selten zuvor. Sie
stehen auf der Tagesordnung der EU-Kommission, des G8-Gipfels und von
NATO-Konferenzen. US-Präsident Bush hat in seiner jüngsten Rede an
die Nation eine "Advanced Energy Initiative" seiner Regierung
angekündigt, um die USA aus ihrer Abhängigkeit von Ölimporten aus
instabilen Weltregionen zu befreien. Die französische Regierung hat
ein Memorandum zur Wiederbelebung der Energiepolitik in Europa
vorgelegt.

Bundeskanzlerin Merkel hat einen nationalen Energiegipfel
angekündigt, der den Startschuss für ein energiepolitisches
Gesamtkonzept für Deutschland geben soll. Zudem hat sie sich mit dem
britischen Premierminister Blair für eine abgestimmte langfristige
Energiestrategie für Europa ausgesprochen, nicht zuletzt um die
Probleme der Abhängigkeit der Energieversorgung der EU und ihrer
Mitgliedsstaaten von dritten Ländern besser zu bewältigen.

Durch die aktuelle Entwicklung auf den Weltenergiemärkten und eine
Reihe von politischen Ereignissen ist nicht nur in Europa ein
Erkenntnisprozess in Gang gekommen, der zu einer Rückbesinnung auf
die fundamentale Bedeutung der Energiesicherheit geführt hat. In der
Energiepolitik gebührt sachlichen Lösungen anstatt Ideologien und
Aktionismus der Vorzug.

Dies gilt nicht nur für die neue Debatte über mögliche
Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken. Von den USA bis
Großbritannien und selbst in Frankreich wird die Rolle der Kohle und
auch der heimischen Kohlevorräte für die Energieversorgung ganz
unverkrampft wieder stärker anerkannt, auch weil moderne, effiziente
und saubere Technologien zur Kohlenutzung ("Clean Coal Technologies")
weiter entwickelt werden.

In Deutschland aber tun sich Teile von Politik und Medien
unnötigerweise noch schwer mit einer nachdrücklichen Kohle-Akzeptanz,
obwohl 50 % der deutschen Stromerzeugung auf Steinkohle und
Braunkohle basieren, die zu einem beträchtlichen Teil bzw. fast
vollständig aus heimischen Vorräten stammt. In der EU-Öffentlichkeit
dagegen hat sich das Image der Kohle deutlich verbessert. Nach einer
im Januar veröffentlichten Erhebung von Eurobarometer zur
Energiepolitik in der EU sind neue Energietechnologien wie z.B. Clean
Coal bei den EU-Bürgern nach der (allerdings noch extrem teuren)
Solarenergie inzwischen die zweitbeliebteste Energieform, deutlich
vor Windkraft oder Kernenergie.

Unterdessen bereitet die EU-Kommission ein neues "Grünbuch über
eine sichere, wettbewerbsfähige und nachhaltige Energiepolitik für
Europa" vor, das am 8. März verabschiedet werden wird. Es soll eine
breite Energiedebatte in Europa entfachen und bereits dem
Europäischen Rat auf seinem Frühjahrsgipfel am 23./24. März 2006 als
Diskussionsgrundlage über neue energiepolitische Handlungsprioritäten
der Union dienen. Das Grünbuch wird nicht nur die Energiesicherheit
behandeln, sondern z.B. auch die Wettbewerbsöffnung der europäischen
Strom- und Gasmärkte fordern. Zur Klimavorsorge vorgeschlagen wird
das Ziel, dass sich Europa durch forciertes Energiesparen in allen
Bereichen zur energieeffizientesten Weltregion entwickeln soll.
Angeregt werden soll auch ein Strategischer Energie-Technologieplan,
mit dem die EU die "Weltmarktführerschaft" bei den "low carbon
energies" erringen soll, wozu neben regenerativen Energien u.a. auch
Clean Coal und innovative Technologien zur CO2-Abscheidung gezählt
werden.

Doch das wesentliche Thema muss die Energiesicherheit in Europa
sein. Das EU-Grünbuch geht davon aus, dass die Welt in ein neues
Energiezeitalter eingetreten ist, in dem eine sichere und bezahlbare
Energieversorgung nicht mehr selbstverständlich ist. Durch die immer
größere Abhängigkeit von Energieimporten drohen bei zugleich weltweit
steigender Energienachfrage auch in Europa Versorgungsengpässe und
immer höhere Energiepreise. Der Anteil dieser Importe an der
Energieversorgung der EU-25 wird bis 2030 auf rund 70 % steigen und
hauptsächlich aus politischen Unruhezonen stammen. Zur Verbesserung
der Energiesicherheit wird im Grünbuch insbesondere empfohlen, dass
die EU und ihre Mitgliedsstaaten in der externen Energiepolitik
gegenüber Lieferländern künftig gemeinsam vorgehen und mit einer
starken Stimme sprechen. Doch ebenso müsse es verstärkte Maßnahmen
zur internen Energiesicherung geben.

Dazu zählen gemeinschaftliche Krisenmechanismen für die Öl- und
Gasversorgung, zu denen es bereits nach den beiden Ölkrisen in den
70er Jahren Vorschläge der EU-Kommission gab und die jetzt wieder
aufgenommen werden. Ein Vorgänger war der Krisenmechanismus der
Montanunion für die Kohle- und Stahlversorgung. Unverzichtbar bleiben
jedoch nationale Vorsorgemaßnahmen.

Bereits in dem Ende 2000 von der EU-Kommission erarbeiteten
Grünbuch gab es die nahe liegende Frage, ob nicht die vorhandenen
heimischen Energierohstoffreserven - darunter als größte die
Kohlevorkommen, auch die deutschen - wieder stärker genutzt werden
sollen. Denn heimische Energieträger sind krisensicher.

In ihrem in 2005 vorgelegten Bericht zu den Ergebnissen der
Debatte über dieses vorangegangene Grünbuch ist die Kommission zu
einem ernüchternden Schluss gekommen: Zwar hat es danach die eine
oder andere Maßnahme auf dem Gebiet der Energiesicherheit gegeben,
aber der Trend einer wachsenden Importabhängigkeit der
EU-Energieversorgung ist keineswegs gebrochen worden. Diese
Abhängigkeit wachse vielmehr "täglich". Deshalb müssten in der
Energiepolitik in Europa nunmehr die Alarmglocken läuten ("the alarms
bells are ringing").

Zu den Möglichkeiten, die Energiesicherheit in der EU zu
verbessern, zählt die Kommission in dem genannten Ergebnisbericht wie
schon im Grünbuch von 2000, eine größere Rolle der Kohle und deren
Nutzung durch Clean Coal Technologies. Ohnehin sagt sie der Kohle in
Europa nach einer Phase weiterer Anpassungen bis etwa 2020 wieder
einen wachsenden Anteil am Energiemarkt voraus, weil ihre
Preisvorteile gegenüber Erdöl und -gas tendenziell zunehmen werden
und alte Kernkraftwerke abzuschalten sind.

In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission auch und
ausdrücklich für eine weiterhin subventionierte Mindestproduktion
heimischer Steinkohle ausgesprochen, um dadurch den Energiemix aktiv
zu diversifizieren, die Bergbau- und Kohletechnologie in Europa
weiterzuentwickeln und den Zugang zu den eigenen Steinkohlenvorkommen
zu bewahren. Letzteres hat der Rat 2002 mit Zustimmung aller
Gemeinschaftsorgane in seiner geltenden Verordnung über die
Steinkohlebeihilfen in der EU berücksichtigt. Deren Anwendung steht
in diesem Jahr ebenfalls zur Überprüfung durch die Kommission an.

Die grundsätzliche Entscheidung über die Zukunft der heimischen
Steinkohle ist nach wie vor auf nationaler Ebene zu treffen.
Angesichts des bevorstehenden deutschen Energiegipfels ist zu
wünschen, dass der energiepolitische Weckruf auch hier gehört und
verstanden wird. Hoffentlich war er laut genug, damit am Ende mehr
herauskommt als nur ein abermaliges Bekenntnis der EU zum
Energiesparen und zu alternativen Energiequellen sowie zu der etwas
weltfremd anmutenden Liberalisierungs- und
Emissionshandelsgesetzgebung. Denn die nächste Energiekrise kommt
bestimmt.


Originaltext: GVST GV d. deut. Steinkohlebergbaus
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=54802
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_54802.rss2


Pressekontakt:
Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus
Andreas-Peter Sitte
Rellinghauser Str. 1
45128 Essen
Tel.: 0201/177-4320
Fax: 0201/177-4271
E-Mail: andreas-peter.sitte@gvst.de


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