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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zur Finanzkrise

Geschrieben am 18-03-2009

Bielefeld (ots) - Harakiri, also Selbstmord nach dem Vorbild
japanischer Ritter, hat der aus Iowa stammende US-Senator den
Managern des weltweit größten Versicherungskonzerns AIG
vorgeschlagen. So böse Worte sind natürlich dem Zorn über das Ausmaß
der Managementfehler und der Wut über die Dreistigkeit geschuldet,
mit der den Versagern noch Millionen an Boni nachgeworfen werden.
Ähnlich erbost, wenn auch nicht ganz so drastisch in der Wortwahl
wie der republikanische Senator, reagierten US-Präsident Barack Obama
und sein Wirtschaftsminister Timothy Geithner. Man kann ihre Wut
verstehen. Da hat AIG mit 99,3 Milliarden US-Dollar den größten
Verlust angehäuft, den je weltweit ein Unternehmen in einem Jahr
hinnehmen musste. Dass der Konzern überhaupt noch existiert, verdankt
er nur den 180 Milliarden US-Dollar, die der Staat für seine Rettung
zur Verfügung gestellt hat. Und dann dreht das Management doch
tatsächlich hinterher dem Steuerzahler eine lange Nase, in dem es den
Versagern 165 Millionen Euro an Boni überweist.
Die Wut ist berechtigt. Zugleich spiegelt sie jedoch die
Hilfslosigkeit der Politiker. Appelle nutzen nichts bei Managern, die
nach dem Motto agieren: »Ist der Ruf erst ruiniert, rafft sich
gänzlich ungeniert.« Als Eigner muss sich nämlich der Staat, so
ärgerlich das im Einzelfall sein mag, wie alle anderen an Gesetze und
geltende Verträge halten. Daraus gibt es nur einen Ausweg: Das
Unternehmen muss in die Insolvenz.
Diesen Pfad hat sich die Politik größtenteils verbaut. In den USA
hatten die Wellen, die die Pleite von Lehman Brothers ausgelöst hat,
einen Schock zur Folge, der weitere große Insolvenzen bisher
verhindert hat. In Deutschland gilt die Idee, dass eine Bank wie die
Hypo Real Estate auch aus dem Markt ausscheiden könnte, ebenfalls als
tabu.
Formal hat die Wirtschaftskrise in den meisten Ländern den
Staatsanteil an der Wirtschaft enorm erhöht. In der Realität fehlt
jedoch den Vertretern der Bürokratie die Stärke, mit den
Milliardenzahlungen die Geschäfte in den Banken, Versicherungen und
anderen Unternehmen, an denen sich Staaten neuerdings beteiligen, zu
drehen. Da war es schon ein Kraftakt, Gehaltsobergrenzen für
Vorstände festzulegen.
Ein hoher Staatsanteil macht eben noch keinen starken Staat. Dazu
würde gehören, dass die Politiker einige der selbst gelegten Fesseln
wieder lösen. Geithner scheint in den USA dazu bereit. Anders kann
man seine Äußerung, AIG könnte auch »abgewickelt« werden, nicht
verstehen. In Deutschland hat sich der Bundesfinanzminister durch die
Einteilung in »systemrelevante« und andere Unternehmen gebunden. Peer
Steinbrück hat wohl nicht damit gerechnet, dass die Milliarden zur
Aufrechterhaltung der Kreditfähigkeit der Geldwirtschaft in ein Fass
fallen, das keinen Boden hat. Eine Übertreibung? Nein. Angesichts
zugesagter Zahlungen, die mit 80 Milliarden Euro jetzt schon mehr als
ein Viertel des letztjährigen Bundeshaushalts ausmachen, und
»Garantien«, die noch weitaus höher liegen, ist der Vergleich
durchaus angebracht.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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