Probleme durch Ignoranz lösbar? / Stellungnahme des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl) zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen
Geschrieben am 29-06-2006 |
Frechen (ots) - Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen hat am 19. Mai eine Kleine Anfrage zur "Gesetzgebung im Bereich der Logopädie und Sprachtherapie" gestellt. Diese zielte u.a. darauf ab, genauere Informationen darüber zu erhalten, warum sich der Bund seit vielen Jahren so strikt weigert, die Logopädinnen in ihren Bemühungen um eine Hochschulausbildung zu unterstützen.
Die Antwort der Bundesregierung, die seit dem 19. Juni 2006 als Bundestagsdrucksache (16/1575) vorliegt, scheint nur auf den ersten Blick schlüssig. Denn die Argumentation des zuständigen Bundesgesundheitsministeriums beschränkt sich auf rein formale Aspekte, als sei es der einzige Zweck von Gesetzen, widerspruchsfrei zueinander zu sein. Die Realität von Ausbildung und Berufsausübung der Logopäden dagegen wird weitgehend ausgeblendet. Wer keine Probleme sieht, muss eben auch keine lösen.
Kernstück der Antwort auf die Fragen nach Zukunftsfähigkeit und Europatauglichkeit des Berufsgesetzes der Logopäden ist der Verweis auf das Grundgesetz. Nach Artikel 74 GG ist der Bund zuständig für die Gesetzgebung zur Zulassung von Heilberufen wie beispielsweise der Logopädie. Durch die Schaffung des Logopädengesetzes vom 7. Mai 1980 habe der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz ausgeschöpft. Angehörige anderer Berufe wie z.B. Klinische Linguisten, die unter den gleichen Verträgen im Gesundheitswesen heilkundlich tätig sind wie Logopäden, werden unter dem Oberbegriff "pädagogisch" subsummiert und an die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Dabei wird ignoriert, dass diese Berufsgruppen gegenüber den Zulassungsstellen der Krankenkassen medizinische Ausbildungsinhalte und insbesondere die klinisch-praktischen Ausbildungsanteile nachweisen müssen. So übernimmt die Zulassungsstelle der Gesetzlichen Krankenversicherung, was laut Grundgesetz Aufgabe des Deutschen Bundestages wäre.
Die Zunahme der Absolventenzahlen (von 212 im Jahr 1985 auf 995 im Jahr 2004) bewertet die Bundesregierung in ihrer Antwort positiv. Doch offensichtlich erfassen die Daten des statistischen Bundesamtes, auf die das Bundesgesundheitsministerium seine Einschätzung stützt, nicht alle Berufsfachschulen für Logopädie. Denn nach einer Befragung des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie boten die 59 privaten und die 20 Schulen in öffentlicher Trägerschaft insgesamt knapp 1400 Ausbildungsplätze an. Brisant wird diese Zahl vor dem Hintergrund der Ausbildungsfinanzierung und der Bedarfszahlen. Schätzungsweise arbeiten in Deutschland bereits 12 000 Logopäden/Sprachtherapeuten, so dass bei einer Relation von einer Logopädin auf 10 000 Einwohner der Bedarf in Deutschland rein statistisch bereits mehr als gedeckt ist. Die Kosten für die Ausbildung, über die die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage keine Angaben machen kann, betragen in den privaten Berufsfachschulen im Durchschnitt 620 Euro monatlich. Schulen, die kein Schulgeld erheben, sind überwiegend in öffentlicher Trägerschaft, bieten aber nur knapp 300 Ausbildungsplätze an und vergeben diese zu nahezu 100% an die Bewerber mit Hochschulzugangsberechtigung.
So erscheint es beinahe zynisch, wenn die Bundesregierung auch in ihrer Antwort auf die Anfrage der Grünen ihre Position bekräftigt, den Beruf der Logopädin als attraktiven Gesundheitsfachberuf für Absolventen mit mittlerem Bildungsabschluss offen halten zu wollen. Denn die so beworbene Qualifikation stellt sich nach den oben beschriebenen Zahlen in der Wirklichkeit als teure Ausbildung für die Arbeitslosigkeit heraus.
Inhaltlich wird die Charakteristik des Berufs völlig verkannt. Denn so, wie nach Auffassung der Bundesregierung wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt in der Logopädenausbildung umgesetzt werden soll, könnte das auch in benachbarten Berufsgruppen realisiert werden. Danach wäre auch eine Fachschulausbildung beispielsweise für Lehrer, Ärzte und Psychologen denkbar. Das sehen bekanntlich alle anderen europäischen Länder anders. Sie kennen die Bedeutung einer wissenschaftlich fundierten Qualifikation und bilden ihre Logopäden wie die Ärzte, Lehrer und Psychologen akademisch aus. Für Deutschland reicht die formale Anerkennung, reicht die Widerspruchsfreiheit von europäischen und deutschen Gesetzen, so die Antwort der Bundesregierung. Ob es für die Patientenversorgung von morgen reicht, scheint heute nicht zu interessieren. Der Deutsche Bundesverband für Logopädie fordert erneut die Aufgabe dieser vordergründigen Argumentation. Die Vereinheitlichung der zersplitterten Berufslandschaft im Bereich Logopädie/Sprachtherapie und eine einheitliche, akademische Ausbildung für diesen heilkundlichen Bereich ist die Voraussetzung, die Qualität der Versorgung aufrechterhalten zu können.
Originaltext: Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V. Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=34356 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_34356.rss2
Pressekontakt: V.i.S.d.P.: Lucas Rosenthal, Deutscher Bundesverband für Logopädie (dbl) Weitere Informationen: Dr. Monika Rausch, Präsidentin dbl, Augustinusstr. 11 a, 50226 Frechen Tel.: 02233/9289969, Fax: 02234/37953-13, E-Mail: rausch@dbl-ev.de, Internet: www.dbl-ev.de
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