Kfz-Steuer: Geschönte Spritverbräuche der Autobauer belasten künftig den Bundeshaushalt
Geschrieben am 24-03-2009 |
Berlin (ots) -
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Falsche Verbrauchsangaben gehen mit Einführung einer teilweise CO2-basierten Kfz-Steuer ab 1. Juli direkt zulasten des Bundesetats - Deutsche Umwelthilfe fordert behördliche Prüfung der Spritverbräuche und kündigt Unterstützung von Musterklagen betroffener Autofahrer an - Mehrverbräuche gegenüber wirklichkeitsnahen Testverfahren bis zu 33 Prozent - DUH-Geschäftsführer Resch: "Ein Fall für Finanzminister Peer Steinbrück"
Mit der teilweisen Umstellung der Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß drohen dem Bund ab 1. Juli dieses Jahres nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) Steuermindereinnahmen in jährlich dreistelliger Millionenhöhe. Grund ist die seit Jahren zunehmende Kreativität der Automobilhersteller beim Zustandekommen der offiziellen Spritverbrauchsangaben neuer Pkw-Modelle. Diese weichen immer stärker vom tatsächlichen Verbrauch im Fahrbetrieb ab und verursachen bei Vielfahrern jährliche Mehrkosten in bis zu vierstelliger Höhe. Hintergrund für das Interesse der Autobauer, möglichst niedrige Spritverbräuche und CO2-Werte auszuweisen, ist vor allem die zunehmende Bedeutung niedriger Werte beim Autokauf.
Das Fehlen jeglicher amtlicher Kontrolle der Prüfwerte hat bei einigen Herstellern wie z.B. smart, BMW und Mercedes zu einer besonders "kreativen" Auslegung der europäischen Prüfvorschriften und in der Folge extremen Abweichungen geführt, die gleichermaßen den Verbraucher täuschen und ab dem 1. Juli den Bundeshaushalt schädigen. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) hingewiesen und die Bundesregierung aufgefordert, die von den Herstellern ermittelten Normverbräuche und die damit einhergehenden, ab Juli steuerrelevanten CO2-Angaben künftig einer systematischen behördlichen Nachprüfung zu unterziehen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen kündigte die DUH an, bei bestimmten Modellen mit besonders hohen Abweichungen in Musterklagen betroffene Autofahrer rechtlich zu unterstützen. So hatte am 4.12.2008 das OLG Stuttgart (AZ 7U 132/07) eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart bestätigt, wonach ein Autohalter bei im realen Fahrbetrieb auftretenden Mehrverbräuche gegenüber den Herstellerangaben Anspruch auf Minderung und Schadensersatz hat.
Bisher waren die Abweichungen der Herstellerangaben von den oft deutlich höheren Werten des realen Fahrbetriebes vor allem ein Ärgernis für die Autohalter. Während eine Reihe von Fahrzeugen im realen Betrieb mit den angegebenen Verbrauchswerten gefahren werden können, liegt der Verbrauch bei der Mehrheit der Modelle um bis zu 33 Prozent über den offiziellen Angaben, die die Hersteller nach dem so genannten neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf Rollenprüfständen ermitteln. In Zukunft bestimmen diese Angaben die Höhe der Kfz-Steuer, die sich ab Juli teilweise am CO2-Ausstoß (und somit dem Kraftstoffverbrauch) orientiert. "Die missbräuchliche Interpretation der europäischen Prüfvorschriften durch mehrere Autohersteller erfüllt nach Ansicht der DUH den Tatbestand der systematischen Verbrauchertäuschung. Erfreulicherweise klagen dagegen immer mehr Autohalter erfolgreich vor Gericht auf Nachbesserung und Schadensersatz. Zur Jahresmitte wird das Thema ehrliche Spritverbräuche auch ein Fall für Peer Steinbrück", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Dem Bundesfinanzminister entgingen jährlich Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe, wenn die Bundesregierung die Autohersteller nicht durch behördliche (Nach-)Prüfungen zu "realistischen Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen ihrer Fahrzeuge zwingt".
Da das für die Kontrolle der Automobilindustrie zuständige Bundesfinanzministerium bisher auf eine Nachprüfung der Herstellerangaben verzichtet, zählen die von den Autobauern angewandten Tricks zur Schönung der Verbrauchswerte zu den am besten gehüteten Geheimnissen. Bereits vor 18 Monaten stellte die DUH erstmals "kreative Auslegungen" der Prüfvorschriften vor. Nach Aussagen von Brancheninsidern hat die Klimaschutzdebatte in der Zwischenzeit dazu geführt, dass die Verbrauchswerte immer ungenierter "herunter geprüft" werden.
Für den EU-weit normierten CO2- und Verbrauchstest werden gerne besonders rollwiderstandsoptimierte Fahrzeuge eingesetzt, mit denen der so genannte "Ausrollwert" ermittelt wird. Ein niedriger Wert führt unmittelbar zu niedrigeren Verbrauchswerten. Verbunden mit besonderen Leichtlaufölen und -reifen, einem extrem erhöhten Reifendruck und einem Ausfahren der Toleranzen lassen sich die Verbräuche weiter vermindern. Elektrische Verbraucher wie Autoklimaanlagen werden deaktiviert und die Messungen grundsätzlich mit vollgeladener Batterie durchgeführt. Die neuen BMW-Modelle interpretieren die Prüfvorschrift besonders dreist: Während des jeweils zwanzigminütigen Tests bleibt die Lichtmaschine komplett ausgeschaltet, im wahren Leben bliebe das Fahrzeug nach kurzer Zeit mit leerer Batterie liegen, auf der Rolle bringt das nochmals einen kräftigen Minderverbrauch.
"Alle diese Tricks bewegen sich in der Grauzone zwischen kreativer Interpretation und missbräuchlicher Manipulation der Prüfvorschriften", sagte Resch. Der Staat müsse jetzt auf diese Täuschungen reagieren und durch eigene Nachprüfungen sicherstellen, dass die der Kaufentscheidung zugrundeliegenden Spritverbrauchs- und CO2-Angaben im realen Fahrbetrieb auch erreichbar sind. Nach Ansicht der DUH sind ehrliche Verbrauchsangaben auch aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit wichtig. "Es kann nicht sein, dass bestimmte Autobauer sich Wettbewerbsvorteile durch immer kreativere Interpretation der EU-Regeln verschaffen. Hier muss der Staat der Selbstkontrolle ein Ende bereiten", so Resch. Zum Verfahren schlug der DUH-Bundesgeschäftsführer vor, dass zertifizierte Prüflabors die Herstellerangaben im Auftrag des Kraftfahrtbundesamts an Neufahrzeugen überprüfen, die sie eigenständig am Markt für die Prüfung auswählen. Resch wies darauf hin, dass schon in wenigen Jahren realistische CO2-Emissionsangaben auch auf EU-Ebene eine neue finanzielle Relevanz erhalten. Dann wird die EU Strafabgaben von Autoherstellern erheben, deren verkaufte Neuwagenflotte die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte überschreiten.
Weil die unrealistischen Verbrauchsangaben Millionen Autokäufer verärgern, hat sich der ADAC der Sache bereits vor sechs Jahren angenommen und einen eigenen "Eco-Test" mit einem "wirklichkeitsnahen" Testzyklus entwickelt. Die DUH hat die aktuellen Datensätze der Hersteller und des ADAC-Tests systematisch abgeglichen. "Für die weit überwiegende Zahl der Modelle liegen die vom ADAC ermittelten Spritverbräuche ganz erheblich über den Verbraucherangaben", sagte die DUH-Projektleiterin Barbara Göppel. Die Verbrauchertäuschung addiere sich so für den Vielfahrer auf einen vierstelligen Betrag pro Jahr.
Resch forderte die Bundesregierung auf, noch vor der Umstellung der Kfz-Steuer die künftige behördliche Überprüfung der Verbrauchsangaben zu veranlassen. Resch: "Vertrauen ist gut, aber spätestens ab dem 1. Juli 2009 ist Kontrolle besser. Ansonsten werden die Hersteller ihre Kreativität bei der missbräuchlichen Interpretation der europäischen Prüfvorschriften weiter ausreizen." Eine systematische Überprüfung werde als ersten Effekt eine Erhöhung der offiziellen Spritverbräuche zur Folge haben und damit eine Anpassung an die realen und damit klimawirksamen Werte.
Ein Beitrag zum Thema findet sich auch in der aktuellen Ausgabe 2/2009 des Umweltmagazins zeo2, das heute erscheint und sich in seiner Titelgeschichte mit der Krise der Automobilindustrie befasst.
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
Pressekontakt: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin Mobil.: 0171 3649170, Fax: 030 2400 867-19, E-Mail: resch@duh.de Barbara Göppel, Projektleiterin, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin Mobil.:0170 7686923, Fax: 030 2400 867-19, E-Mail: goeppel@duh.de Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030 2400867-21, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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