Westdeutsche Zeitung: Wer durchbricht das Ritual unbezahlbarer Versprechungen? - Wir wollen gar keine Wahlgeschenke = Von Friedrich Roeingh
Geschrieben am 17-04-2009 |
Düsseldorf (ots) - Wie macht man Wahlkampf in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise? Offenbar wie immer. Die Hoffnung, dass die Parteien mit einer neuen Ernsthaftigkeit in diese Bundestagswahl gehen würden, die unter nie erlebten Vorzeichen über die Bühne geht, muss jetzt schon begraben werden. Viereinhalb Monate vor dem Wahltermin überbieten sich die Politiker bereits mit Wahlgeschenken.
Der völlig unkontrollierte Einstieg in die Abwrackprämie war der erste Sündenfall. Aus 1,5 Milliarden Euro zusätzlichen Schulden, mit denen die fragwürdige Konjunkturspritze zunächst zu Buche schlagen sollte, sind über Nacht fünf Milliarden Euro geworden. Dass die Mehrheit der Bürger zumindest diese Erweiterung ablehnt, haben die Großkoalitionäre in ihrer Verschrottungseuphorie offenbar gar nicht registriert.
Einmal entfacht, geht der Überbietungswettbewerb nun munter weiter. Der massiven Neuverschuldung und den miserablen Konjunkturaussichten zum Trotz mochte die Union ihr ursprüngliches Ziel der Steuerentlastung nicht einfach fallen lassen. Natürlich wissen alle, dass das auf Jahre hinaus nicht zu finanzieren ist. Und kaum möchte die SPD die Geringverdiener beglücken und diesen pro Steuerjahr 300 Euro pauschal überweisen, legen erste Unionspolitiker im Gegenzug mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags nach. Man mag sich kaum ausmalen, wie viele weltfremde Ideen in den nächsten vier Monaten noch unters Wahlvolk gestreut werden.
Anscheinend halten die Politiker den Souverän für so unmündig, dass er sein Kreuz in erster Linie nach persönlichen monetären Interessen setzt. Ein Zerrbild, das noch nie so wenig zutraf wie in diesen Tagen. Die meisten Bürger haben nämlich ein sehr gutes Gespür für das wirtschaftspolitisch Notwendige - wie die unvorstellbar teure Rettung des Bankensystems - und das steuerpolitisch nicht Vertretbare. Das Ergebnis des Kassensturzes, den uns die Parteien nach dem Wahltermin präsentieren werden, kennen die Bürger nämlich schon. Wer diese Bundestagswahl gewinnen will, sollte deshalb die Spendierhosen ganz schnell wieder ausziehen. Am 27. September werden die Wähler vor allem Verantwortungsbewusstsein und Glaubwürdigkeit honorieren.
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