Kritische Kommentierung der Studie / Ristow, M. et al. "Antioxidants prevent health-promoting effects of physical exercise in humans. Proceedings of the National Academy of Sciences, Online"
Geschrieben am 15-05-2009 |
Rosbach (ots) - Resultate:
Ristow et al. untersuchten in einer Gruppe von 40 Männern (20 als "trainiert" und 20 als "untrainiert" klassifiziert) den Effekt von Sport - allein oder in Kombination mit einer Antioxidantien-Supplementierung - auf die Insulinsensivität. Die Antioxidantien-Supplementierung bestand aus täglichen Dosen von Vitamin C (1.000 mg) und Vitamin E (400 IE). Sowohl der oxidative Stress als auch die Insulinsensivität (inklusive der Bestimmung einiger Marker) wurden vor und nach einem 4-wöchigen Sportprogramm (85 min täglich, 5 Mal die Woche) bestimmt. Die Ergebnisse zeigten, dass das Bewegungsprogramm allein den Marker für oxidativen Stress (TBARS) erhöhte, die Insulinsensivität verbesserte und die Expressionsprofile bestimmter Gene, welche mit der Insulinsensivität und dem oxidativen Stress-Status zusammenhängen, veränderte. Die Individuen in der Antioxidantien-supplementierten Gruppe dagegen zeigten keine Erhöhung des TBARS-Markers und keine Verbesserung der Insulinsensivität. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass Antioxidantien den durch die körperliche Anstrengung hervorgerufenen oxidativen Stress reduzieren - gleichzeitig aber auch solche durch die freien Radikale induzierten Reaktionen des Organismus (wie erhöhte Insulinsensivität) unterdrücken. Sie weisen daher in ihrer Arbeit darauf hin, dass oxidativer Stress offensichtlich ein wichtiges Signal für die Insulin-Aktivität und den Zuckerstoffwechsel sein könnte und dass Antioxidantien dieses Signal möglicherweise unterdrücken.
Kritische Punkte:
1. Die Studie wurde ausschließlich mit relativ jungen (25- bis 35-jährigen) und gesunden Männern durchgeführt. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, welche physiologische Relevanz die beobachteten Resultate für die Gesamtbevölkerung (Frauen, ältere und kranke Menschen, Übergewichtige etc.) eigentlich haben soll. Immerhin wird im Titel der Arbeit zumindest suggeriert, dass diese Relevanz bestünde.
2. Darüber hinaus mischt das Studiendesign zwei Untersuchungen, nämlich einen doppelblinden, placebo-kontrollierten und einen open-label-Ansatz, bei dem sowohl der Studienteilnehmer als auch der Studienorganisator über den Wirkstoff informiert sind. Die Daten aus beiden Ansätzen werden später gepoolt, ohne dass separate Auswertungen vorgenommen und präsentiert werden.
3. Der zentrale Parameter, aus dem in der Arbeit die wesentlichen Schlussfolgerungen gezogen wurden, ist die Insulinsensivität, welche in der Arbeit mit der glucose infusion rate (GIR), also der Geschwindigkeit der Gewebe-Glucoseaufnahme, angegeben wird. Diese wird normalerweise in µmol/kg fettfreier Körpermasse pro Minute gemessen. Weil der fettfreie Masseanteil bei den untrainierten Männern zwischen Placebo- und supplementierter Gruppe aber deutlich (jedoch nicht signifikant) voneinander abwich (p = 0,09), können dadurch die Gesamtergebnisse der Studie beeinflusst worden sein.
4. Besonders bemerkenswert erscheint zudem, dass man bei den trainierten Männern keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Insulinsensivität in der Placebo- und in der Antioxidantien-Gruppe feststellen kann. Außerdem ist die Korrelation zwischen der Gewebe-Glucoseaufnahme (GIR) und dem Serumlevel des Markers für oxidativen Stress (TBARS) gering (r = 0,353). Und schließlich gab es offensichtlich keine Veränderungen beim Nüchtern-Glucosewert oder HbAC1 - ansonsten hätten die Autoren dies in der Arbeit wohl vermerkt. Leider wurden auch nur die Insulinwerte angegeben. Ein vollständiges Bild ergäbe sich aber erst mit Glucose- und Insulinplasmawerten aller Probanden.
5. Die in der Studie verwendeten Dosierungen von Vitamin C (1000 mg täglich) und Vitamin E (400 IE täglich) stellen ein Vielfaches der empfohlenen Tagesmengen für gesunde Erwachsene dar. Daher stellt sich die Frage, wie die Studienergebnisse ausfallen, wenn man mit entsprechend geringer dosierten Supplementierungen arbeiten würde
- was übrigens insofern wichtig zu wissen ist, als dass in der Studie auf das Hormesis-Konzept Bezug genommen wird.
Die Schwächen der Arbeit scheinen insgesamt die Aussagekraft der Studienergebnisse zu relativieren. Unter Umständen wurde die Arbeit daher auch nicht über den wissenschaftlich üblichen Weg bei den Proceedings of the National Academy of Sciences eingereicht. Außerdem liegen eine ganze Reihe weiterer Arbeiten mit gesunden und diabetisch vorerkrankten Individuen vor, welche durchaus einen positiven Einfluss von Antioxidantien auf die Insulinsensivität nachweisen.
Originaltext: GIVE e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/70861 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_70861.rss2
Pressekontakt: GIVE e.V. Gesellschaft zur Information über Vitalstoffe und Ernährung Frau Sepideh Roozbiany In der Laubach 24 61191 Rosbach
Tel.: 06172/2872890 Fax: 06172/2872892 info@giveev.de www.giveev.org
V.i.S.d.P. Kay Richter (1. Vorsitzender) Ebba Loeck (2. Vorsitzende)
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