"Die Verfassung ist kein Bilderbuch des Wünschbaren" Hans-Jürgen Papier, der oberste Richter der Bundesrepublik, über das Grundgesetz / 25. Mai 2009, 23.30 Uhr im SWR Fernsehen

Mainz (ots) - "Die Verfassung ist kein Bilderbuch des
Wünschbaren", sagt Hans-Jürgen Papier, "sondern es ist eine
verfassungsrechtliche Grundordnung, (...) die möglichst präzise,
knapp, aber doch justitiabel, das heißt richterlich einklagbar sein
sollte." Anlässlich 60 Jahre Grundgesetz äußert sich der Präsident
des Bundesverfassungsgerichts exklusiv in der Sendung "Wortwechsel".
"Ich bin nicht sonderlich glücklich", so Papier weiter, "wenn immer
wieder gefordert wird, das Grundgesetz weiter anzureichern mit
Verfassungsartikeln, die auch vom Umfang her immer erheblicher
werden. Ich rate zu einer gewissen Zurückhaltung, um eben diese
Vorzüge des Grundgesetzes, (...), nicht zunichte zu machen."

Zur Frage, ob man unter die Stasi-Vergangenheit der DDR einen
Schlussstrich ziehen solle, sagt Papier: "Ich bin kein Anhänger
dieser Schlussstrichdiskussion. Denn es besteht ja gar kein Zweifel,
dass wir eine Aufklärung dieser Verhältnisse nicht nur den Opfern und
den Angehörigen schulden, sondern auch der schlichten Wahrheit." Es
gehe ihm auch darum, den nachfolgenden Generationen zu vermitteln,
was alles geschehen könne, wenn die rechtstaatlichen Absicherungen
über Bord geworfen würden. "Was dann an Gefährdungen von Freiheit und
Sicherheit den Bürgern drohe, das sollte man immer wieder auch den
nachfolgenden Generationen verdeutlichen."

Im Interview nimmt der Präsident des Bundesverfassungsgerichts
auch Stellung zu Artikel 6 des Grundgesetzes, der den Schutz der Ehe
und der Familie regelt. Wörtlich sagt Papier: "Es ist sicherlich ein
Grundrecht im klassischen Sinne, also ein Abwehrrecht gegen
staatliche Einwirkungen/Eingriffe, aber es ist eben auch eine
objektive Wertentscheidung. ... Und dieser Artikel 6 spricht eben
nicht nur von der Familie, sondern auch von der Ehe." Damit stehe der
Artikel in einem gewissen Widerspruch zur Charta der Europäischen
Union, die die Ehe nicht mehr erwähnt.

Das Gespräch mit Hans-Jürgen Papier führte der ARD-Rechtsexperte
Karl-Dieter Möller. Es wird am Montag, 25. Mai 2009, 23.30 Uhr, in
der Sendung "Wortwechsel" des SWR Fernsehens, ausgestrahlt. Am 25.
Mai widmet das SWR Fernsehen einen ganzen Abend dem Thema "60 Jahre
Grundgesetz". Um 23.00 Uhr startet die Dokumentation "Wir sind das
Grundgesetz - 60 Jahre deutsche Verfassung", um 23.30 Uhr folgt der
"Wortwechsel" mit Hans-Jürgen Papier, im Anschluss daran, um 0.00 Uhr
beginnt der Episodenfilm "GG19 - 19 Gründe für die Demokratie".

Pressekontakt: Heike Rossel, Tel.: 06131/929-3272, oder E-Mail:
heike.rossel@swr.de.

Originaltext: SWR - Südwestrundfunk
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