WAZ: Die Stasi schoss mit - Ein Fanal im Zwielicht. Kommentar von Frank Stenglein
Geschrieben am 22-05-2009 |
Essen (ots) - Der 2. Juni 1967 war eine Zäsur von einiger Tragweite. Wie im Brennglas schien der tödliche Schuss eines Berliner Polizisten zu beweisen, dass der alte Nazi-Geist im Sicherheitsapparat wach war - so jedenfalls wollte es eine politische Linke glauben, die sich merklich radikalisierte und immer kompromissloser den Staat als Feind begriff. Der Tote auf dem Pflaster war ein Faktum, das die junge Demokratie in die Defensive brachte und auch liberale Geister grundsätzlich zweifeln ließ.
Und nun? Denkbar, dass auch dieser Vorfall eine perfide Intrige war. Egal aber, ob die SED einen Plan verfolgte oder - was wahrscheinlicher ist - der Stasi-Agent Kurras schlicht die Nerven verlor: Wäre die Stasi-Verstrickung damals bekannt geworden, hätte der tote Benno Ohnesorg niemals als Fanal für jenes "rote Jahrzehnt" dienen können, das dann im Terror-Jahr 1977 so blutig auslief. Denn zur Mobilisierung brauchte die extreme Linke einen vermeintlich "faschistischen" Täter. Ein Kommunist, wie es Kurras offenbar war, hätte in dieser Rolle naturgemäß versagt.
Muss die Geschichte also neu geschrieben werden? In Teilen ja. Sicher, die Studentenbewegung lag in der Luft, auch ohne Kurras und Ohnesorg. Doch die Duell-Situation mit dem Staat, in die sich die RAF-Desperados hineinphantasierten und die so viele Menschenleben kostete, wäre vielleicht nur abgeschwächt entstanden.
Zudem zeigt die Episode noch einmal, wie tief sich die Stasi in das Gewebe des West-Staates einwühlte, wie geschickt sie eine verunsicherte, auch gutgläubige Öffentlichkeit für ihre Zwecke einspannte. Man darf auf weitere Akten-Funde gespannt sein.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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