Convoco Forum debattiert über das demografische Problem als Gefahr für Rechtskultur und Wirtschaft
Geschrieben am 29-05-2009 |
Herrenchiemsee/London (ots) -
Convoco Forum von Frau Dr. Corinne M. Flick: Acht Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft debattierten im Chorherrenstift Herrenchiemsee über das demografische Problem als Gefahr für Rechtskultur und Wirtschaft. - Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Kirchhof " Mehrwertsteuererhöhung widerspricht dem Schutz der Familie!" - Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup: "Das Rentenproblem ist gelöst!" - Prof. Dr. h. c. Roland Berger: "Unternehmen haben alle Möglichkeiten, um durch Flexibilität die Produktivität zu steigern und so den Folgen der Demografie zu begegnen!"
Vor rund hundert hochkarätigen Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Kultur diskutierten acht namhafte Experten, darunter Prof. Dr. h. c. Roland Berger, Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Kirchhof und Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, beim Convoco Forum im Chorherrenstift Herrenchiemsee über das demografische Problem als Gefahr für Rechtskultur und Wirtschaft.
"Unsere Gesellschaft steht vor wichtigen Aufgaben," begrüßte Convoco Initiatorin Frau Dr. Corinne Michaela Flick ihre Gäste. "Das demografische Problem zählt neben Klimawandel und Globalisierung unverändert zu den Megathemen unserer Zeit." Und genau wie bei den anderen unsere Zukunft bestimmenden Fragen sei auch und gerade beim demografischen Problem der Austausch von Wirtschaft und Wissenschaft zur Beantwortung wesentlich. Sie stellte dann die Expertenrunde aus Wirtschaft und Wissenschaft vor: Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Gründer und Aufsichtsratschef von Roland Berger Strategy Consultants; Prof. Dr. Peter M. Huber, Lehrstuhl für öffentliches Recht und Staatsphilosophie der LMU München; Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Kirchhof, Institut für Finanz- und Steuerrecht der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Prof. Dr. Stefan Korioth, Lehrstuhl für öffentliches Recht und Kirchenrecht der LMU München; Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Lehrstuhl für Finanz- und Wirtschaftspolitik der TU Darmstadt; Prof. Dr. Wolfgang Schön, Max-Planck-Institut für geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München; Dr. James Vaupel, Max Planck Institute for Demographic Research, Rostock; Prof. Dr. Robert K. Freiherr von Weizsäcker, Lehrstuhl für VWL-Finanzwissenschaft und Industrieökonomik der TU München.
Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Kirchhof referierte zum Thema: "Wir brauchen Wachstum, und Wachstum beginnt beim Kind". Die deutsche Verfassung sei exzellent und Wachstum in ihr verankert. Man müsse aber über ein Wachstum nachdenken, welches sich nicht auf die Zunahme des Bruttoinlandsprodukts beschränke. Bei dieser Suche nach neuem Wachstum seien Antworten auf viele Fragen zu finden, die sich aus dem gesellschaftlichen Umbruch ergäben:
Beim Geburtenrückgang, der für das Staatsvolk und die Volkswirtschaft nicht ohne Probleme sei, gehe es zunächst darum, Fragen zu beantworten wie z. B.: "Wie richten wir uns auf kinderärmere Gesellschaft ein?" Entscheidend aber sie die Frage, wie man es erreiche, dass die Gesellschaft sich verjünge? Was erwarten wir dabei vom Staat? Wenn der Staat seine Mittel einsetzt, wo soll er das Geld allozieren: bei den Eltern, den Kindern, den Unternehmen?" Zweitens habe sich das deutsche Volk im Grundgesetz, dessen Fundament der Verfassungskonvent 1948 in Herrenchiemsee legte, grundsätzlich für politische und privatwirtschaftliche Freiheit entschieden. Und im Artikel 6 des Grundgesetzes werde die Familie ausdrücklich unter den Schutz des Staates gestellt. Dennoch schlügen heute viele Menschen das Angebot des Schutzes und der Förderung der Familien aus. Drittens zeige sich ein Zielkonflikt: "Die Mehrzahl der jungen Menschen wollen Kinder, aber sie wollen auch ihren Beruf frei wählen und ausüben." Kinder und beruflicher Erfolg konkurrieren aber um die Zeit der Eltern "Heute neigen Menschen daher dazu, ihre Ziele erst nacheinander zu verwirklichen." Viele würden aber dann dem ursprünglichen Kinderwunsch entsagen. "Daher ist es dringend nötig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, um es jungen Menschen zu erleichtern, beide Ziele möglichst gleichzeitig zu verwirklichen."
Wenn viertens grundsätzlich das Vertrauen in die Erziehung durch die Eltern gegeben sei, dann solle sich dies auch in der Art der Verteilung des zur Familienförderung eingesetzten Staatsgeldes niederschlagen. Dem bürgerlichen Freiheitsideal würde es entsprechen, diese Gelder vom Prinzip her den Eltern zukommen zu lassen, in der Erwartung einer verantwortungsvollen Verwendung zum Besten ihrer Kinder. Gleichwohl müsse der Staat immer sein Wächteramt wahrnehmen, wenn Kinder sich bei Erziehungsfehlern nicht richtig entwickeln. In diesem Fall müsse der Weg kollektiver Lösungen beschritten werden. Die Norm für die Allokation der Verteilung der familienpolitisch eingesetzten Gelder solle dennoch die "funktionierende Familie mit Vater und Mutter" sein.
Dem Generationenvertrag folgend sei fünftens neben einer bessere Ausbildung der Kinder eine deutliche materielle Besserstellung der Eltern geboten, da nur die Eltern - über ihre Kinder - die zur Erfüllung des Generationenvertrages erforderliche Zahl der Schuldner gewährleisten würden.
Dem grundgesetzlichen Schutzgedanken von Ehe und Familie entsprechend seien sechstens steuerpolitische Reformen angesagt. So sollten etwa Aufwendungen für Ersatzmütter auch dann absetzbar sein, wenn nur ein Elternteil erwerbstätig sei. Und wenn - aus welchen Gründen auch immer - die Besteuerung von direkten Steuern zu den indirekten verlagert werde, müsse man wissen und beachten, dass dies vor allem Familien träfe - und selbst solche, die nicht von der Einkommenssteuer belastet würden, da sie zu wenig verdienten. Siebten gelte es eine Lebensqualität zu garantieren, die auch dem Kind angemessen sei. Im Jahr 1776 schrieb man das Recht auf Glück in die amerikanische Verfassung. Man könne sich auch bei uns fragen: "Gehört es nicht zum individuellen Glück, ein Kind zu haben?" Und was wiederum sei dann dem Glück des Kindes angemessen?
Nach Kirchhofs Plädoyer für eine Stärkung der Familie debattierten die Experten über die demografischen Folgen auf Wirtschaft und Recht. So zeichnete Prof. Dr. Robert K. Freiherr von Weizsäcker gesamtwirtschaftlich die Folgen der Bevölkerungsalterung weit weniger düster als dies oft die Öffentlichkeit und auch teils die an diesem Symposion teilnehmenden Rechtswissenschaftlern sähen. Zum einen - so von Weizsäcker - sei Wirtschaftswachstum kein eigenständiges Ziel, und zum anderen bewirkten der technologische Wandel eine Zunahme an Arbeitsproduktivität trotz Bevölkerungsalterung. Neueren Studien zufolge sinke nämlich die Produktivität im Alter nicht zwangsläufig, zumal wenn in gemischtaltrigen Gruppen gearbeitet werde. "Alter muss also keine Bremse für Wachstum sein."
Prof. Dr. Dr. h. c. Bert Rürup sprach sich ebenfalls dafür aus, die demografische Entwicklung nicht als "Folie des ökonomischen Niedergangs" zu bemühen. Die unstrittigen wirtschaftlichen und sozialpolitischen Probleme als Folge des Alterns und Schrumpfens der Gesellschaft seien lösbar. Die nicht mit dem Explodieren einer Zeitbombe, sondern sehr viel mehr mit einer "Gletscherschmelze" vergleichbare demografische Entwicklung, habe die Politik nicht ignoriert. So sei das Rentenproblem in Deutschland durch die zahlreichen Reformen seit 1989 faktisch gelöst, auch wenn dies von nicht Wenigen nicht wahrgenommen werden will. Die Gesetzliche Rentenversicherung sei - um den Preis spürbarer Leistungsrücknahmen - inzwischen gegen alle ausgabenseitigen Probleme der Bevölkerungsalterung abgesichert. Und perspektivisch sei die aus einer Mischung aus umlagefinanzierten und kapitalgedeckten Renten bestehende Altersversorgung für alle nach 1975 Geborenen besser im Vergleich zur Fortschreibung der rentenrechtlichen Situation zur Jahrtausendwende. Man habe allerdings angesichts der deutlichen Einschnitte bei den gesetzlichen Renten im Zuge der Reformen seit 1989 nur verspätet kapitalgedeckte Renten eingeführt. Gleichwohl würden die "Jüngeren aber vom achten Weltwunder, dem Zinseszinseffekt, profitieren". "Die Gefahr für die Altersversorgung besteht - wie die aktuelle Diskussion zeigt - vor allem darin, aus wahltaktischen Erwägungen die Reformen der jüngsten Vergangenheit zurück zu drehen." Leider gelte ein ähnlich positives Votum wie für die Altersversorgung nicht für die Gesundheitspolitik: Der zu Beginn dieses Jahres in Funktion getretene Gesundheitsfonds etwa kombiniere nicht die Vorteile, sondern die Nachteile der Bürgerversicherung à la SPD mit der solidarischen Gesundheitsprämie der Unionsparteien. Und mit der Reform der Pflegeversicherung im letzten Jahr seien allenfalls fünf Jahre Zeit gekauft worden.
Laut Prof. Dr. h.c. Roland Berger können auch Unternehmer viel tun, um den Wohlstand in einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft zu erhalten. Erstens durch das Angebot lebenslangen Lernens: "So bleiben die Menschen produktiv, während sie länger und gesünder leben". Zweitens müsse nicht nur die Lebensarbeitszeit der Menschen erhöht werden, auch die Wirtschaft könne und solle noch nicht ausgeschöpftes Humankapital besser nutzen, etwa das von gut ausgebildeten und nicht erwerbstätigen Frauen, Jugendlichen und älteren Menschen. Drittens gelte es durch mehr Unternehmensgründungen Innovation zu stimulieren. "Ich selbst habe noch nach meiner Pensionierung acht Unternehmen gegründet, die Geld verdienen." Innovationen sollten in Deutschland künftig mehr von kleinen und mittleren Unternehmen ausgehen und von Quereinsteigern, wie Technikern und Entwicklern, die Firmen gründen. "Flexibilität lautet das Zauberwort, um in den Unternehmen die Produktivität zu steigern und so dem demografischen Problem zu begegnen," meint der Strategieberater. Darum gelte es, "die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern", durch Tagesmütter, Betriebskindergärten, Fortbildungsangebote für Frauen und Männern in der Phase des Elterngeldbezuges oder einer familienbedingten beruflichen "Auszeit", aber auch durch bessere Angebote von Telearbeit. Zudem könnten viele Arbeitsprozesse anders gestaltet und etwa in einzelne Projekte zerlegt werden. "Wir haben alle Chancen, Antworten auf die Risiken der Bevölkerungsalterung zu finden!" fasste der Unternehmensberater zusammen.
Die Juristen und Ökonomen waren sich darin einig, dass soziokulturelle Entwicklungen und der damit einhergehende Wertewandel der Gesellschaft bei der Betrachtung der demografischen Folgen auf Staat und Wirtschaft zu berücksichtigen seien. "Der Altersausgleich und die Balance einzelner Gesellschaftsgruppen ist wesentlich für ein funktionierendes Gemeinwesen", meinte Prof. Dr. Peter M. Huber. So müssen etwa gesellschaftliche Verschiebungen infolge der Binnenwanderung in Deutschland wie auch der Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen in die Betrachtungen mit einfließen. "Recht darf im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung nicht nur reaktiv sein!", forderte der Rechtsexperte.
Nach der angeregten Diskussion resümierte Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup: "Der Streit ist der Vater allen Fortschritts." Daher sei diese Veranstaltung, auf der trefflich, da konstruktiv gestritten wurde, ein gelungenes Treffen gewesen. Alle Diskussionsteilnehmer seien sich einig gewesen, dass die aus der demografischen Entwicklung erwachsenen Probleme vom Prinzip her bekannt seien und es Lösungen für diese Probleme gebe. Deshalb sei es unverantwortlich, wenn die Politik - im Bewusstsein dieser Probleme - nicht antizipativ, sprich vorbeugend, handele. Die demografischen Probleme seien zu wichtig, als dass es ausreiche, ihnen mit den Mitteln der reaktiven Politik und damit erst nach einem pathologischen Lernprozess oder mit einer rhetorisch-semantischen Problemverdrängung zu begegnen.
Convoco ist eine gemeinnützige Stiftungs GmbH, gegründet von Frau Dr. Corinne M. Flick. Die Initiative zielt darauf ab, führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft und Kultur ein Forum zu verschaffen, das freien und interdisziplinären Gedankenaustausch ermöglicht und die gesellschaftliche Debatte beflügelt. Im Zentrum des Gedankenaustauschs stehen aktuelle wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragen, die im weitesten Sinne einen Bezug zur deutschen Verfassung haben; wobei das Verhältnis des Einzelnen zum Staat insbesondere berücksichtigt wird. Das diesjährige Convoco Forum widmet sich dem Thema: Das demografische Problem als Gefahr für Rechtskultur und Wirtschaft.
Weitere Informationen zu Convoco finden Sie unter: http://www.convoco.co.uk/
Originaltext: Convoco Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/75751 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_75751.rss2
Falls Sie Rückfragen haben, wenden Sie sich bitte an: Frau Dr. Corinne M. Flick office@grflick.com, Telefon: 0044 207 823 9322
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