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Berliner Morgenpost: Wahrheiten, die nie jemand auszusprechen wagte - Kommentar

Geschrieben am 29-05-2009

Berlin (ots) - Wohl jeder, der Reiten als Leistungssport betreibt,
weiß Geschichten von ehemaligen und aktuellen Championatsreitern zu
berichten, von Siegern, die so gar nicht in das von
Reitsportfunktionären gern heraufbeschworene Bild des Partners Pferd
auf saftiger, grüner Wiese passen. Geschichten von Schweiß, Blut und
Schmerz sind das. Und nicht selten steht hinter dem Erfolg eines
Turnierstalles ein fantasievoller Tierarzt, der sich seine Dienste
teuer bezahlen lässt. Sponsoren, auf die der Reitsport wie kein
anderer Leistungssport angewiesen ist, interessieren sich für
Erfolge, selten dafür, wie sie entstehen. Schmutzige Praktiken sollen
bitte im Verborgenen bleiben. Das war im Radsport nicht anders.
Deutschlands erfolgreichster Springreiter, Ludger Beerbaum, hat mit
seiner Aussage über Doping, Medikation und mit seiner Haltung dazu
ein Erdbeben in der deutschen Reiterei ausgelöst, das überfällig war.
Beerbaum ist für seinen, allerdings späten, Mut zu bewundern, steht
ihm doch ein mächtiger Verband gegenüber, der sich in der
Vergangenheit blind gegeben und Verkünder kritischer Wahrheiten wie
Nestbeschmutzer behandelt hat.
Zu lange gab sich die Reiterliche Vereinigung unbeteiligt. Zu lange
sonnte man sich selbstzufrieden im goldenen Schein der Medaillen, die
regelmäßig die deutsche Statistik bei Olympia aufhübschten. Zu lange
waren die Funktionäre darum bemüht, den Schmutz unter den Teppich zu
kehren, forderten auf der einen Seite Erfolge ein und installierten
auf der anderen Seite ein System, das den Reitern alle Mittel gab,
erfolgreich zu sein, Doping inklusive. Auffallen sollte / durfte das
Ganze natürlich nicht.
Allmählich scheinen die Funktionäre nun zu begreifen, wie ernst es um
ihren Sport steht.
Doch so sehr die Einrichtung einer Sonderkommission zu begrüßen ist,
gerettet ist der Reitsport damit noch lange nicht, zu sehr kommt es
darauf an, was die Kommission zutage fördert und wie die
Öffentlichkeit damit umgeht. Wenn offengelegt wird, dass Reitsport
ein riesiges Geschäft ist, Pferde Sportgeräte, Züchter Unternehmer
sind, wird die Öffentlichkeit das akzeptieren können? Wird sie
weiterhin deutsche Erfolge in Championaten feiern? Werden weiterhin
Mädchen in die Reitvereine strömen, Sponsoren sich engagieren? Im
besten Fall ja. Denn die Faszination des Sports, das Wundervolle am
Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier bliebe von dieser Wahrheit
unberührt.
Wenn Fritz Thiedemann sein legendäres Pferd Meteor in den
Fünfzigerjahren auf ein Championat vorbereitete, benutzte er dazu
eine Eisenstange. Diese Eisenstange wurde dem Wallach, mit dem
Thiedemann 1952 in Stockholm Mannschafts-Olympiasieger wurde, vor die
Füße geknallt, damit er keine Fehler machte. Reiterlegende Hans
Günter Winkler war unerbittlich nicht nur sich selbst und seinen
Schülern gegenüber, sondern auch gegenüber seinen Pferden. Damals hat
niemand nach Grenzen gefragt. Jetzt ist die Chance, sie zu ziehen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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