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LVZ: Große Sorgen

Geschrieben am 09-07-2006

Leipzig (ots) - Von Winfried Wächter
Fast sieht es so aus, als sei ein neuer Heiland geboren. Die ganze
Nation ruft den Namen Jürgen Klinsmanns rhythmisch im Chor und
fordert sein Ja-Wort. Sein Ja zum Weitermachen, damit er als
Bundestrainer erhalten bleibt und dabei am besten gleich noch für den
Schwung sorgt, um nicht nur den Fußball, sondern noch anderes im Land
zu reformieren, das unbedingt auf Vordermann gebracht werden muss.
Ein bisschen viel für einen Übungsleiter. Aber sein Beispiel hat für
Bewunderung gesorgt bei dieser WM, weil er seinen Weg so konsequent
gegangen ist, dabei jede Menge Rückschläge und Nackenschläge
kassierte und am Ende doch triumphierte. Zwar nicht als Weltmeister,
aber ein dritter Platz lag vorher auch in eigentlich unerreichbarer
Ferne. Dass sich die Deutschen, die ansonsten nur ihre Sieger
verehren, darüber freuen, ist erstaunlich genug und Klinsmanns
Verdienst. Er ließ Fußball spielen, der nicht auf Abwarten, sondern
auf Angriff setzte. Jungen Leuten, die noch vor zwei Jahren nur
Experten kannten, streifte er das Nationaltrikot über. Sie wuchsen
hinein und dankten ihm das Vertrauen. So war die Freude über dieses
Abschneiden größer als über den zweiten Platz vor vier Jahren, als
sich die deutsche Elf eher ins Finale schummelte, um dort allerdings
ihre beste Leistung zu zeigen. Die Fanfeste erwiesen sich als Renner
und erzeugten eine Atmosphäre fast wie in den Stadien - so viel
Stimmung ließ keinen kalt. Erst recht, da die befürchteten Randale
ausblieben, sich die Deutschen als freundliche Gastgeber erwiesen und
ihre Stadien in den höchsten Tönen gelobt wurden.
Deutschland kann stolz sein auf diese WM und auf seine Mannschaft.
Wenn Klinsmann jetzt, da ihm alle auf die Schulter klopfen, mit
seiner Verlängerung zögert, ist das nur zu verständlich. Er kennt die
Halbwertszeit seines Berufes, auch ohne Physiker zu sein. Jeder, auch
Klinsmann, ist zu ersetzen. Aber jeder hinterlässt Spuren. Die von
Klinsmann sind deshalb besonders groß, weil er es geschafft hat, den
am Boden liegenden deutschen Fußball wieder in die Weltspitze zurück
zu führen und dabei alle Nörgler und Zweifler verstummen zu lassen.
Wendehälse feiern in diesen Tagen fröhliche Auferstehung und wissen
nichts mehr davon, dass sie den Schwaben noch vor einem Vierteljahr
am liebsten zurück nach Kalifornien geschickt hätten. Die dank
deutscher Gründlichkeit zu erwartende perfekte Organisation der WM
schien mit dem vielfach prognostizierten sportlichen Desaster des
Gastgeber-Teams zu kollidieren.
Das aber passierte nicht, es passte alles. Da spielte kaum eine
Rolle, wenn der gebotene Fußball mitunter vor lauter taktischer
Vorgaben langweilig daherkam. Klinsmanns Truppe agierte anders und
bewies: Deutschland ist besser als sein Ruf. Nicht nur im Fußball.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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