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WAZ: Historische Rede an die Muslime - Obama, der Psychologe - Leitartikel von Gudrun Büscher

Geschrieben am 04-06-2009

Essen (ots) - Selten hat die Rede eines US-Präsidenten so wohl
getan. Barack Obama hat in Kairo die richtigen Worte gefunden, vor
allem aber, hat er den richtigen Ton getroffen. Er ist mit offenen
Armen und mit viel Respekt auf die Muslime in aller Welt zugegangen
und hat für einen Neubeginn geworben, ohne - wie früher üblich -
Vorschriften zu machen. Ja, es war eine große Rede, eine großartige
politische Predigt. Sie wird wohl als historische Ansprache von Kairo
den Weg in die Geschichtsbücher finden.

Die Rede war ein Anfang. Das ist nicht wenig. Nur wer konkrete
Vorschläge zum iranischen Nuklearprogramm oder zum weiteren Vorgehen
im Nahost-Konflikt erwartet hatte, wurde enttäuscht. Da blieb der
Präsident bei Altbekanntem und im Ungefähren. Die psychologische
Wirkung dieser Rede ist es, auf die es ankommt. Und sie muss ihre
Wirkung erst entfalten.

Vieles ist so neu, was aus dem Weißen Haus kommt, dass sich die
Menschen erst daran gewöhnen müssen: "Wir wollen niemandem etwas
aufdrängen", sagt der Präsident - auch nicht den amerikanischen
Lebensstil oder die Politik. Und: "Wir können Frieden nicht
erzwingen." "Gemeinsam" ist das Zauberwort, das sich wie ein roter
Faden durch die Rede zieht. Er benennt das Einende, nicht das
Trennende: Eine Welt, eine Menschheit, ein Gott.

Er betont den Hussein in seinem Namen, der zwischen Barack und
Obama steht, und immer wieder bezieht er sich auf den Koran. Wer das
als anbiedern abtut, hat nichts verstanden. Kein Präsident vor ihm
hat ein derart zerrüttetes Verhältnis zu großen Teilen der arabischen
Welt und zu den Muslimen vorgefunden wie Obama.

Es gilt, die Muslime mitzunehmen in eine neue Zeit. Es gilt, acht
Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September die gemäßigten
Muslime deutlich von den Extremisten zu trennen - nur so lässt sich
den Terroristen, den selbsternannten Gotteskriegern, der Boden
entziehen. Und es gilt, Angst und Misstrauen zu überwinden. "Wenn wir
uns von der Vergangenheit binden lassen, kommen wir nicht voran",
sagte der Präsident.

Auf die Worte kam es Obama an, Taten müssen folgen. Wie die
aussehen, hängt nicht allein vom US-Präsidenten ab. Den Iran sprach
er direkt an, die radikal-islamische Hamas auch. Ob das dort auf
fruchtbaren Boden fällt? Die Skepsis ist leider genauso groß wie die
Begeisterung über so wunderbare Worte.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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