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Verschlossene Auster 2009 an den Bundesverband deutscher Banken

Geschrieben am 06-06-2009

Hamburg (ots) - Negativ-Preis geht in diesem Jahr an den
Bundesverband deutscher Banken (BdB) - stellvertretend für seine 220
Mitglieder

Hamburg. Die Verschlossene Auster, der Kritik-Preis des Netzwerks
Recherche für den "Informationsblockierer des Jahres", geht 2009 an
den Bundesverband deutscher Banken (BdB) - stellvertretend für die
rund 220 Mitglieder des Verbandes. Der Bankenverband und seine
Mitglieder waren in der Banken- und Finanzkrise nicht auf Seiten von
Transparenz und Aufklärung. Die Vertreter der Banken tauchten ab und
stellten sich der Öffentlichkeit nicht ausreichend. Wenn sie eines
ihrer wenigen Interviews gaben, dann versorgten sie die
Öffentlichkeit mit Ausreden. Sie weigern sich, ihre Fehler
einzugestehen, Versäumnisse zu erklären und Verantwortung zu
übernehmen.

"Die meisten Banken betreiben ihre Öffentlichkeitsarbeit nach dem
Muster Tricksen, Tarnen, Täuschen," sagte Dr. Thomas Leif, der
Vorsitzende von Netzwerk Recherche, anlässlich der Verleihung der
Verschlossenen Auster während der Jahreskonferenz der
Journalistenvereinigung in Hamburg. "Mit dieser Methode versuchen sie
von ihrer eigenen Verantwortung für die Finanzkrise abzulenken. Mit
ihrem Motto 'Schuld sind immer die anderen', sind sie bislang
beängstigend erfolgreich."

Die Laudatio auf den Preisträger hielt Professor Rudolf Hickel,
der Direktor des Institutes Arbeit und Wirtschaft der Universität
Bremen. Er sagte: "Der Bundesverband deutscher Banken hat sich diesen
Preis wahrhaft erarbeitet. Gemessen an dem Kriterium der Jury,
Honorierung für Informationsblockierung, hat der Bundesverband
deutscher Banken die Ansprüche sogar übererfüllt. Denn nicht nur
Informationsblockierung, sondern Fehlinformation, Halbwahrheiten,
lobbyistische Rechtfertigungen kennzeichnen die
Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes."

In seiner Stellungnahme zur Preisverleihung sagte der
Geschäftsführende Vorstand des Bankenverbandes, Prof. Dr. Manfred
Weber, in Hamburg: "Ich kenne zu viele Fälle, in denen Banken
unglücklich oder gar nicht kommuniziert haben. Da schließe ich auch
den Bankenverband nicht aus." Den pauschalen Vorwurf, die Banken
hätten die Aufklärung behindert, weise er jedoch zurück. Die Arbeit
des Verbands sei "hochgradig transparent". Gleichwohl brauche er die
kritische Begleitung durch Journalisten und Wissenschaftler. "Jeder
Fehler ist ein Fehler zu viel", sagte Weber.

Ein öffentliches Schuldeingeständnis der Banken ist nach Ansicht
von Netzwerk Recherche die Voraussetzung, um mit einer sachlichen
Analyse der Fehler des gesamten Bankensystems zu beginnen. Ein
solches Eingeständnis und eine solche Debatte sind nötig, um eine
künftige Finanz- und Wirtschaftskrise frühzeitig zu verhindern bzw.
geeignete Frühwarnsysteme wirken zu lassen. Banken haben finanzielle
Instrumente manipuliert, um hohe Renditen zu ergaunern. Zu viele
Banker haben bei diesem Schneeballsystem bereitwillig mitgemacht und
stehlen sich heute aus der Verantwortung.

Wir Journalisten müssen unsere Mitschuld, zu wenig recherchiert
und zu wenig nachgefragt zu haben, aufarbeiten und wir wollen bei der
Jahrestagung und darüber hinaus unseren Beitrag leisten. Aber zu oft
kamen wir nicht dazu, den Verantwortlichen Fragen zu stellen. Sie
standen nicht Rede und Antwort. Und wenn doch, dann beließen sie es
beim Hinweis, die Bankenkrise sei eigentlich von amerikanischen
Politikern verursacht, weil sie die Bank Lehman Brothers in Konkurs
gehen ließen. Das sagte beispielsweise der bis März amtierende
Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus-Peter Müller,
und so steht es als Erklärung der Krise auf der Homepage des
Bankenverbandes. Zu selten und zu wenig haben er und seine Kollegen
sich in der Debatte der Frage gestellt, worin ihre Schuld besteht.
Haben nicht deutsche Banken allzu bereitwillig mitgeholfen, große
Risiken des amerikanischen Immobilienmarktes zu teilen und handelbar
zu machen? Wurde die Krise nicht erst durch diese Bereitschaft,
unüberschaubare Risiken zu teilen und dann kunstvoll und
undurchschaubar zu verpacken, überhaupt erst möglich? Davon gehen wir
aus.

Bankenpräsident Klaus-Peter Müller sagte im Oktober 2008 dem
Spiegel: "Wir Banken haben zu lange und zu stark auf die Ratings
geschaut und uns nicht mehr mit den zugrunde liegenden Risiken der
Papiere beschäftigt. Wir müssen wieder zurück zu den alten Tugenden
des Bankgeschäfts und für mehr Transparenz sorgen." Es klang wie der
Anfang eines Schuldeingeständnisses. Aber Fehler im System stellte er
umgehend in Abrede. Er behauptete: Man habe aus den Fehlern gelernt.
Dabei warten wir noch immer auf eine tiefer gehende, umfassende
Aufarbeitung, auf Transparenz und Selbstkritik. Müller sagte:
Schwerwiegende Fehler seien nur von einigen, nicht von vielen gemacht
worden. Man dürfe Bankenmanager nicht pauschal verantwortlich machen.
Ein Bericht der Wirtschaftswoche vom Februar 2008, der im April den
Henri-Nannen-Preis für investigative Recherche erhielt, legt das
Gegenteil nahe und deutet darauf hin, dass Versagen kein Einzelfall
war, sondern mit System betrieben wurde: Bankangestellte sind demnach
wie Drückerkolonnen organisiert, sind unter Druck gesetzt und sie
beraten ihre Kunden deshalb nicht, schreibt die Autorin Melanie
Bergermann, sondern sie belügen sie, und haben nur ihre
Verkaufszahlen im Auge. Diese und andere unverantwortlichen
Vorgehensweisen müssen deutsche Banken aufklären und öffentlich
machen.

Die Banker drücken sich um Analyse und Selbstkritik. Dabei haben
"auch angesehene deutsche Bankinstitute beim Umgang mit Risiko
zunehmend Durchblick und Weitsicht verloren", wie Bundespräsident
Horst Köhler den Banken vorwirft. Das "Auftürmen von
Finanzpyramiden", wie Köhler ihr Vorgehen nannte, wurde für Banken
zum Selbstzweck. Sie übernehmen kaum Verantwortung für ihre
Risikoentscheidungen. "Bis heute warten wir auf eine angemessene
Selbstkritik der Verantwortlichen", sagte Köhler am 24. März in
seiner Berliner Rede. Was Köhler damals sagte, gilt - abgesehen von
der erwähnten Ausnahme - bis heute.

Der Kritik-Preis wurde in diesem Jahr zum achten Mal verliehen. Er
steht als mahnendes Symbol für mangelnde Offenheit und Behinderung
der Pressefreiheit von Personen oder Organisationen gegenüber den
Medien. Die Preisträger erhalten zur Erinnerung und als Mahnung zur
Besserung eine Skulptur des Marburger Künstlers Ulrich Behner.

Die Preisträger werden im Vorstand von Netzwerk Recherche gewählt.
Preisträger der vergangenen Jahre waren der ehemalige
Bundesinnenminister Otto Schily, der Lebensmittelkonzern ALDI, die
Hypo-Vereinsbank (stellv. für die DAX-Unternehmen), der damalige
DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der ehemalige Chef der
Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, der ehemalige russische Präsident
Wladimir Putin und im Vorjahr das Internationale Olympische Komitee
und stellvertretend IOC-Vizepräsident Thomas Bach. Um die Skulptur zu
erhalten, muss sie allerdings abgeholt oder mit einer schriftlichen
Gegenrede verdient werden - was vor Manfred Weber, dem
Geschäftsführer des Bankenverbandes, bislang nur Otto Schily und
Hartmut Mehdorn auf sich nahmen.

Originaltext: netzwerk recherche
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/50273
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_50273.rss2

Pressekontakt:
Medien-Rückfragen: Dr. Thomas Leif (Tel. 0171/9321891)


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