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Boersen-Zeitung: Die letzte Chance, Kommentar von Christof Roche zum Brüsseler Umgang mit Ineffizienzen und Marktfragmentierung im europäischen Clearing- und Settlementgeschäft

Geschrieben am 11-07-2006

Frankfurt (ots) - Der Ire Charlie McCreevy gibt der
Finanzindustrie eine letzte Chance. Bis zum Oktober muss die
Selbstverpflichtung der Branche stehen, um die Ineffizienzen und
Marktfragmentierung im europäischen Clearing- und Settlementgeschäft
zu überwinden. Geschieht das nicht, droht die gesetzliche Regulierung
durch die Kommission. McCreevy lässt damit ein Ultimatum an die
Branche verstreichen, schon in diesem Monat Maßnahmen gegen überhöhte
Preise und fehlenden Marktzugang zu liefern.

Immerhin sind die Gründe für die neue Schonfrist durchaus
nachvollziehbar: Die Börsenkonsolidierung in Europa ist in vollem
Gange, die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid)
schafft neue Spielregeln für Handel und Abwicklung, und selbst die
Europäische Zentralbank mischt kräftig mit, eine eigene
Abwicklungsplattform einzurichten. Es wäre zweifelsohne riskant, zum
jetzigen Zeitpunkt mit Brüsseler Regulierung in die Marktorientierung
des Post-Trading-Sektors einzugreifen.

Trotzdem steht McCreevy, insbesondere beim Europaparlament, nach
wie vor im Wort, die Kosten für die Börsenabwicklung zu senken. Genau
deshalb hält er auch an seiner Politik aus Zuckerbrot und Peitsche
fest und droht mit regulatorischen Schritten, sollte die Branche
nicht mitziehen. Doch wer im Markt nimmt ihm diese Drohung eigentlich
noch ab? Die Beteiligten wissen, dass jegliche Gesetzesinitiative am
Widerstand im Rat scheitern wird. Berlin, unterstützt von London, hat
bereits signalisiert, nichts aus Brüssel zu akzeptieren, was den
Erfolg der heimischen Märkte aufs Spiel setzt. Warum also sollte
ausgerechnet die Deutsche Börse freiwillig mitziehen, um mit Hilfe
von Preistransparenz, Vernetzung und Entflechtung ihr bewährtes
Silo-Modell aufzugeben? Umgekehrt greift der Branchenkodex aber nur,
wenn sämtliche Big Player mit von der Partie sind.

Das Ultimatum, das McCreevy der Branche gesetzt hat, wird immer
mehr zur Galgenfrist für das eigene Überleben. Schafft es der Ire
nicht, bis Herbst den Kodex unter Dach und Fach zu bringen, dann muss
er die EU-Richtlinie vorlegen. Das aber wird McCreevy, der als
ehemaliger irischer Finanzminister im Kreis seiner Ex-Kollegen nicht
unterliegen will, kaum riskieren. Ansonsten hätte er die Direktive
schon gestern starten können. Die Uhr tickt - für die Märkte
sicherlich, mehr aber noch für McCreevy.

(Börsen-Zeitung, 12.7.2006)

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30377
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