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Berliner Morgenpost: Über die schwierige Zukunft von BVG und S-Bahn

Geschrieben am 05-07-2009

Berlin (ots) - Auch wenn es für die genervten Fahrgäste der S-Bahn
wie Hohn klingen mag: Berlin ist immer noch stolz auf sein System des
öffentlichen Nahverkehrs. Es vergeht keine Gesprächsrunde zur Zukunft
der Stadt und keine Konferenz zum Klimaschutz, in der Senatsvertreter
nicht auf das dichte Netz aus Bahnen und Bussen verweisen, das die
Stadt wie kaum eine zweite Metropole der Welt zusammenhält.
Die jüngsten Nachrichten von der Nahverkehrsfront, vom Chaos bei der
S-Bahn und Finanzlöchern bei der BVG, zeigen jedoch, dass dieses im
Kern 100 Jahre alte System aus Stadtbahnen, U-Bahnen, Tram- und
Buslinien der Pflege und sinnvollen Weiterentwicklung bedarf.
Die S-Bahn wird von ihrem Mutterkonzern Deutsche Bahn dermaßen
ausgequetscht, dass auf absehbare Zeit aus Sicherheitsgründen nur
noch ein Rumpfbetrieb möglich ist. Es ist heuchlerisch, wenn die
Bahn-Zentrale nun vier Manager austauscht, obwohl die doch nur das
umgesetzt haben, was ihnen ihre Chefs im Bahn-Tower aufgetragen
haben: Nämlich aus dem Schienenunternehmen, bei dem Berlin und
Brandenburg für viele Millionen Verkehrsleistungen bestellen, riesige
Summen zu pressen. Sie trieben es so weit, bis das System
kollabierte. Angesichts solcher Vorgänge müsste auch dem letzten
Zweifler klar geworden sein, dass Berlins Schnellbahnsystem dringend
Wettbewerb braucht. Schlimmer als der Staatskonzern Bahn hätte sich
die letzte Heuschrecke nicht verhalten.
Der Senat muss seinen Auftragnehmer S-Bahn für sein Versagen
sanktionieren und Millionen einbehalten. Die könnte er in das zweite
Nahverkehrssorgenkind, die landeseigene BVG stecken. Die liefert zwar
anders als die S-Bahn einen soliden Job auf Schienen und Straßen, ist
aber finanziell eine Zeitbombe: 700 Millionen Euro Schulden, an den
Finanzmärkten verzockte Millionen, dauernde Defizite, auch wegen der
Tarifversprechen des Senats an die Mitarbeiter.
Da ist es richtig, wenn der neue Finanzsenator und
BVG-Aufsichtsratschef Ulrich Nußbaum sich jetzt ehrlich machen will
und feststellt, man dürfe der BVG nicht ungebremst neue Schulden
aufladen. Sein Vorgänger Thilo Sarrazin hatte das explizit anders
gesehen. Aus seiner Sicht hat nur der Druck der Defizite das
BVG-Management zur Effizienz im eigenen Laden gezwungen.
Selbst wenn vor allem in der BVG-Zentrale noch einiges zu holen wäre,
muss Berlins Politik die Zukunftsfrage beantworten: Wie viel
Mobilität ohne eigenes Auto wollen wir uns leisten? Wie viel zahlen
die Nutzer der BVG über ihre Fahrscheine? Und was übernimmt über den
Landeshaushalt die Gemeinschaft der Steuerzahler, also auch jene
Bürger, die nicht Bus und Bahn fahren?
Die Antworten moderner Stadtpolitik können nur lauten: Wir brauchen
viel öffentlichen Verkehr, aber vielleicht nicht mehr in der
alleinigen Hand der bisherigen Großunternehmen. Und bezahlen sollen
alle, nicht nur die BVG-Kunden. Wenn mehr Menschen auf ihr privates
Auto verzichten können, steigt auch die Lebensqualität für alle, und
Berlin wird noch attraktiver.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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