Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Erdrutsch in Nachterstedt.
Geschrieben am 20-07-2009 |
Bielefeld (ots) - Von natürlichen Erdbeben bleibt Deutschland bis auf wenige, glimpflich verlaufende Ausnahmen verschont. Dafür buddeln sich die Deutschen ihre Löcher immer öfter selbst. Auch wenn die Ursache für die Tragödie in Nachterstedt nicht vollständig geklärt ist, deutet vieles darauf hin, dass es sich bei dem Erdrutsch um eine Nachwirkung des Braunkohleabbaus handelt. Die Jagd nach Bodenschätzen birgt Risiken während des Betriebs und danach. Beispiel Saarland im Februar 2008: Die Steinkohleförderung erzeugte ein Erdbeben der Stärke 4,0. Es beschädigte 250 Gebäude, in Teilen von Saarwellingen fiel der Strom aus. Beim Abbau von Kohle, bei der Förderung von Öl und Gas sowie bei der Suche nach erneuerbaren Energieformen wie der Erdwärme erzeugen Ingenieure weltweit künstlich Erdstöße und -rutsche. Dabei geraten die Erdschichten unter Druck, und so wie in Nachterstedt können Menschen buchstäblich den Boden unter den Füßen verlieren. Wissenschaftler wie Christian Klose von der Columbia University in New York schätzen, dass der Mensch für 200 zum Teil tödliche Beben selbst die Verantwortung trägt. Es bleibt nicht ohne Folgen, wenn jedes Jahr sechs Milliarden Tonnen Kohle, 1,6 Milliarden Tonnen Eisenerz und 190 Millionen Tonnen Aluminiumerz aus dem Bauch der Erde geholt werden. Im Dezember 1989 starben nach einem Beben in einer Kohlemine im australischen Newcastle 13 Menschen, 165 wurden verletzt, hunderte Häuser stürzten ein. Solange Wind, Wasser und Sonne die Energieversorgung nicht decken können, sind wir auf den Abbau von Kohle und auf die Förderung von Öl und Gas angewiesen und müssen mit diesen Risikofaktoren für Beben rechnen. Auch erneuerbare Energieformen wie Erdwärme erfordern Bohrungen, die die Erdschichten destabilisieren. Um sie zu gewinnen, wird mit gewaltigem Druck Wasser bis zu fünf Kilometer tief in die Erde gepresst, um Fließwege zu erzeugen. Im Dezember 2006 wackelte bei Basel der Boden. Politiker und Energiekonzerne verschweigen oder verharmlosen die Risiken durch künstlich erzeugte Beben und Erdrutsche. Sie haben Angst vor dem so genannten »Nimb-Syndrom«. Nimb steht für »not im my backyard« (nicht in meinem Vorgarten). Egal ob Atommeiler, Kohlekraftwerk oder Geothermieanlage: Wenn damit Risiken für Gesundheit und Eigentum verbunden sind, wollen die Bürger sie nicht vor ihrer Haustür haben. Nach dem Vorfall in Nachterstedt forderten die Stadt Düren und eine Bürgergemeinschaft gestern prompt den Planungsstopp für einen See, der ein Braunkohleloch schließen soll. Aber sobald künstlich erzeugte Beben Menschenleben fordern, muss das Verharmlosen aufhören. Wir müssen mit diesen Nebenwirkungen der Energieversorgung leben, aber wir sollten besser über sie Bescheid wissen. Hier stehen Politiker, Energieversorger und Medien in der Pflicht.
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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