Ein Jahr AOK-HausarztProgramm in Baden-Württemberg: Erfolgreicher Einstieg in eine neue hausärztliche Versorgungswelt
Geschrieben am 28-07-2009 |
Stuttgart (ots) - Rund ein Jahr nach dem Start des ersten umfassenden Hausarztvertrags in Deutschland ohne Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ziehen die Vertragspartner eine positive Zwischenbilanz. Im Mai 2008 unterzeichneten AOK Baden-Württemberg, der Deutsche Hausärzteverband und der MEDI Verbund unter großem öffentlichen Interesse den "Eisbrechervertrag", der bundesweit als Einstieg in eine neue und zukunftsweisende Versorgungwelt gesehen wurde. Er war deshalb von Anfang an auch Gegenstand massiver Kritik und Gegenwehr der ärztlichen Körperschaften und einzelner Ärztegruppierungen. Seit 1. Juli 2008 können sowohl Ärzte als auch Versicherte dem Vertrag auf freiwilliger Basis beitreten. Bislang haben bereits 600.000 AOK-Versicherte und über 3.000 Ärzte ihre Teilnahme erklärt. Die Zukunftsfähigkeit des Vertrags ist durch seine fünfjährige Laufzeit langfristig gesichert.
Dr. Rolf Hoberg, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg: "Die besondere Stärkung der hausärztlichen Versorgung ist dringend erforderlich, wie unter anderem der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem Sondergutachten 2009 betont." Die große Herausforderung liege danach in der Kombination des seit Jahren erkennbaren Nachwuchsmangels im Hausarztbereich einerseits und des demographischen Wandels und der damit verbundenen Zunahme chronischer Erkrankungen und multimorbider Patienten andererseits. Ein Phänomen, das auch in anderen westlichen Ländern als eine der zentralen Herausforderungen im Gesundheitswesen gesehen werde.
"Wir übernehmen nun unmittelbar die Verantwortung für unsere Versicherten: Zusammen mit unseren Vertragspartnern haben wir mit dem AOK HausarztProgramm eine neue Versorgungswelt organisiert, die eine dauerhafte und besonders qualifizierte hausärztliche Versorgung garantiert. Damit sind wir auch unabhängig von etwaigen weiteren Gesetzgebungs- und Honorarreformskarusselen", erläutert Hoberg das bundesweit herausragende Engagement der AOK Baden-Württemberg.
Vorteile für Versicherte und Ärzte
Wer auf seinen Hausarzt als Lotse in der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) vertraut, profitiert von einer hohen Behandlungsqualität: Der Hausarzt bildet sich selbst und seine Mitarbeiter ständig nach aktuellen Leitlinien weiter und koordiniert alle notwendigen Behandlungsschritte. Darüber hinaus sind in der HZV Arzneimittel, für die die AOK Rabattverträge abgeschlossen hat, zuzahlungsfrei. Der Abbau von Verwaltungsaufwand in der HZV sorgt dafür, dass der Arzt mehr Zeit für seinen Patienten hat. Der Arzt wird nach einem einfachen System honoriert, das größtenteils auf Pauschalen beruht. Außerdem steigen seine Einkommensmöglichkeiten, was der AOK wichtig ist. "Wir setzen uns für den Erhalt der wohnortnahen, qualitativ hochwertigen Versorgung ein", erklärt Hoberg. Der freiberuflich tätige, angemessen honorierte Hausarzt bildet hierfür die Basis.
Stimmungsbild der teilnehmenden Hausärzte Die Ärzte sind mit dem neuen System hochzufrieden. "Der Vertrag hält, was er verspricht", freute sich Dr. Berthold Dietsche, Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes. "Auch die Anlaufschwierigkeiten zu Vertragsbeginn im Zusammenhang mit der obligatorischen Vertragssoftware sind jetzt überwunden." Zudem können die Ärzte nun auch zwischen anderen Alternativen im Markt frei wählen, was ihnen eine reibungslose Teilnahme am Vertrag ermögliche. Die neue Vergütungsstruktur bezeichnete er als Befreiungsschlag für die Hausärzte, den das KV-System seit Jahren verschleppt habe. "Die Honorarreform Anfang 2009 hat den baden-württembergischen Hausärzten noch einmal mindestens fünf Prozent Umsatzrückgang gebracht - das ist nicht mehr akzeptabel", sagte Dietsche. Praxisnachfolger zu finden sei inzwischen sehr schwierig geworden, berichtete er. Die hausärztliche Versorgungsebene stünde ohne den AOK-Vertrag wohl bald vor dem Aus - und das, obwohl die Hausärzte in allen Studien, zuletzt etwa im Ernst & Young Gesundheitsbarometer 2009, die höchsten Vertrauenswerte bei den Patienten erzielen.
Enge Verbindung mit Fachärzten
Auf die geplante Verbindung mit den Fachärzten ging der Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg, Dr. Werner Baumgärtner, genauer ein. Sein Verband vertritt auch die Interessen der übrigen ambulant tätigen Arztgruppen. "Die Patienten sollen auch bei den Fachärzten von den Vorteilen eines strukturierten und qualitätsgesicherten Systems profitieren, in dem die Ärzte angemessen honoriert werden", führte Baumgärtner aus. Mit der AOK Baden-Württemberg wolle man nach dem AOK-HausarztProgramm für weitere fachärztliche Gruppen eigene Verträge nach § 73c SGB V verhandeln. "Gastroenterologen und Kardiologen sind die ersten, für die wir in Zusammenarbeit mit den Fachverbänden die Details ausgearbeitet haben", berichtete Baumgärtner. "Der wichtigste Punkt ist eine enge Verzahnung mit dem Hausarztvertrag", betonte Baumgärtner. Wenn in den nächsten Quartalen Schritt für Schritt neue Facharztgruppen hinzukommen, werde der Patient sich bald in einem effizienteren, qualitätsgesicherten Versorgungsnetz befinden, in dem motivierte Ärzte zu angemessenem Honorar deutlich mehr Zeit für sie aufbringen könnten.
Der Vertrag rechnet sich für alle Beteiligten Der Vizevorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, ging auf die Finanzierbarkeit des Vertrages näher ein und betonte ebenfalls den hohen Nutzen des AOK-HausarztProgramms für den Patienten. "Wer von seinem Arzt die rabattierten Arzneimittel verschrieben bekommt, kann richtig Geld sparen", betonte er. In der Vertragssoftware der Praxen seien diese Medikamente entsprechend farblich gekennzeichnet - in der Mehrzahl der Fälle würden die am Vertrag teilnehmenden Patienten also in der Apotheke keine Zuzahlung mehr leisten müssen. Auch die allgemeine Gesundheitsuntersuchung, der sogenannte Check-Up, stehe ihnen ab dem 35. Lebensjahr in jedem Jahr zu. Im KV-System ist er nur alle zwei Jahre möglich. Eine wichtige Rolle spiele perspektivisch auch das strukturierte Beratungssystem "arriba", eine Software zur individuellen Risikobewertung und Beratung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit dem Hausarzt und Risikopatient gemeinsam eine Gesundheitsstrategie erarbeiten können. "Wir sind sicher, dass sich die höheren Arztkosten für die qualitativ hochwertige Versorgung lohnen", sagte Hermann. Die Hausärzte könnten mit der vernünftigen Verschreibung von günstigeren Arzneimitteln und mit der zentralen Koordinierung aller Behandlungsmaßnahmen wesentlich zur Wirtschaftlichkeit der Versorgung beitragen. Die HZV-Teilnehmer in Baden-Württemberg seien in dieser Hinsicht sehr engagiert, so dass sich der Vertrag auch für die AOK finanziell rechnen werde. "Die Mindestlaufzeit von fünf Jahren bietet Ärzten und Versicherten somit eine solide Perspektive für eine sorglose hausärztliche Versorgungszukunft", so Hermann.
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