Neues Deutschland: zum Urteil im Kriegsverbrecherprozess
Geschrieben am 11-08-2009 |
Berlin (ots) - Der arme alte Mann ... 91 wird er. Warum lässt man ihn nicht in Ruhe? Schwamm drüber, Scheungraber war doch nur ein kleiner Leutnant im großen Gemetzel ... Stimmt. Doch es waren diese kleinen Leutnants, ihre Unteroffiziere und deren Soldaten, die das Völkermorden möglich machten. Wer - wie Scheungraber - schwerste individuelle Schuld auf sich geladen hat, gehört vor einen Richter. Mord verjährt nicht. Schwer genug ist dieser Grundsatz erkämpft. Wir haben eine Verpflichtung, Recht zu suchen und Recht zu sprechen. Nicht nur, weil es noch Überlebende der Nazi-Massaker gibt. Und Hinterbliebene. Es ist eine Frage gesellschaftlicher Moral, dass ein Mensch, der einen anderen heimtückisch umbringt, nicht ungescholten und - wie Scheungraber - geachtet unter uns leben darf. Wer jetzt beklagt, dass man einen Greis in die Zelle stecken will, sollte eher fragen, warum man ihn nicht schon als jungen Mann dahin brachte. Und warum nicht damals schon jene, die den Scheungrabers Befehle gaben, dafür büßen mussten. Die Antwort ist beschämend für unsere Demokratie. Verfahren gegen Kriegsverbrecher waren in Westdeutschland einfach unpassend. Schließlich galt es, das System gegen den Osten zu retten. Lieber rief man die »alten Kameraden« erneut zu den Waffen und stellte jene erneut an den Pranger, die schon einmal vor solchen Entwicklungen gewarnt hatten.
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