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Sterben ohne Publikum Presserat rügt Zurschaustellung von Michael Jackson's Tod

Geschrieben am 11-09-2009

Berlin (ots) - In ihren ersten Sitzungen in Berlin haben die
Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats sowie der
Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz vom 8.9. - 10.09.09
insgesamt sechs Rügen ausgesprochen.

Berichterstattung über den Tod von Michael Jackson
Die BILD-Zeitung wurde wegen unangemessen sensationeller
Berichterstattung über den Tod von Michael Jackson gerügt. Eine
Titelseite zeigte Jackson auf einer Bahre liegend und an
Beatmungsgeräte angeschlossen. Die Kombination mit der Überschrift
"Hier verliert er den Kampf um sein Leben" suggerierte Lesern, sie
könnten einem Menschen unmittelbar beim Sterben zusehen. Das hält der
Beschwerdeausschuss für einen Verstoß gegen die Menschenwürde. Auch
bei einem Popstar wie Jackson kann das legitime Informations- und
Unterhaltungsinteresse des Publikums nicht jeden Eingriff ins
Persönlichkeitsrecht rechtfertigen. Richtlinie 11.1 des Pressekodex
lautet:

Richtlinie 11.1 - Unangemessene Darstellung
Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der
Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel,
herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über
einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in
einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse
der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.

Ebenfalls wegen der Berichterstattung im Zusammenhang mit Jackson
gerügt wurde auch das Internet-Portal BILD-ONLINE. Es zeigte ein
grausam entstelltes, computergeneriertes Bild des Toten ohne Haare.
Die Bildunterschrift mutmaßte, "so in etwa könnte Jackson bei der
Obduktion ausgesehen haben". Die Ausschussmitglieder halten die
fiktive Darstellung des entstellten Kopfes der Leiche für einen
Verstoß gegen die Menschenwürde, zumal die Abbildung auf reinen
Vermutungen fußte. Für das Gremium war unbestritten, dass ein
öffentliches Interesse am Tod des Popstars und den Umständen besteht.
Details über den Zustand seiner Leiche, die zudem auf Spekulationen
beruhen, gehören jedoch in die Privatsphäre des Verstorbenen. Deshalb
beurteilt der Beschwerdeausschuss die Darstellung als schwerwiegenden
Eingriff in die postmortalen Persönlichkeitsrechte.

Schaden für den Journalismus
Weil sie eine detaillierte Schilderung über die angeblich schwer
demenzkranke Schauspielerin Doris Day ohne eigene Recherche und ohne
jegliche Quellenangabe aus anderen Veröffentlichungen übernommen hat,
wurde die Zeitschrift DAS NEUE BLATT öffentlich gerügt. Der Beitrag
stellte sich als reine Kolportage heraus. Informationen ohne
Gegenrecherche und ohne Angabe von Quellen ungeprüft zu übernehmen,
ist ein schwerer Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht.
Eine solche Praxis schadet dem Ansehen der Presse in Deutschland,
urteilte der Ausschuss.

Ziffer 2 - Sorgfalt
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt.
Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik
sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren
Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn
darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder
entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte
und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. [...]

Persönlichkeitsrechte missachtet
Für die Berichterstattung über einen Streit innerhalb der Familie des
Ortsvorstehers eines kleinen Ortes erteilte der Beschwerdeausschuss
der SCHWÄBISCHEN ZEITUNG eine nicht- öffentliche Rüge. In dem Beitrag
war über die Schwester des Ortsvorstehers berichtet worden, sie sei
von der Staatsanwaltschaft "als schuldunfähig anzusehen", da sie "mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer psychischen
Erkrankung leide". Der Ausschuss war der Meinung, dass an dieser
Information kein öffentliches Interesse besteht. Damit sah er die
Ziffer 8 des Pressekodex verletzt.

Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen.
Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann
es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen,
ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter
verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

BILD-ONLINE erhielt eine öffentliche Rüge aufgrund von Verstößen
gegen die Ziffern 8 und 11 des Kodex in einer Berichterstattung über
einen Tötungsdelikt in den USA. Die Online-Plattform hatte eine
Bildsequenz eingestellt, die aus einer Überwachungskamera generiert
worden war. Auf den Fotos war zu sehen, wie eine Mutter auf einem
Schießstand erst ihren Sohn und dann sich selbst erschoss. Da beide
identifizierbar waren, erkannte der Ausschuss einen Verstoß gegen
ihre Persönlichkeitsrechte. Zudem war die Veröffentlichung der
Bildsequenz unangemessen sensationell, weil sie allein dazu diente zu
schockieren.

Fiktive Darstellung eines brutalen Überfalls unangemessen
sensationell
Für eine fiktive Darstellung eines brutalen Überfalles erhielt
BILD-ONLINE eine öffentliche Rüge. Die Redaktion hatte über einen von
Neonazis zusammengeschlagenen jungen Mann berichtet und der
Geschichte eine Zeichnung mit dem Untertitel "So hat der
BILD-Zeichner die feige Tat nachempfunden: Das Opfer liegt am Boden,
einer der Täter tritt mit dem Fuß gegen den Kopf" beigestellt. Hierin
erkennt der Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen die Richtlinie
11.1 des Pressekodex, da eine solche Darstellung die Tat noch einmal
unangemessen sensationell illustriert.

Wieder Schleichwerbung
Die Fernsehbeilage PRISMA erhielt eine öffentliche Rüge aufgrund
eines Verstoßes gegen die Ziffer 7 des Pressekodex. Sie hatte drei
Interviews mit Ärzten zu verschiedenen medizinischen Themen geführt.
Dabei erwähnte jeder der Gesprächspartner ein bestimmtes Präparat,
das gegen die jeweiligen Beschwerden helfen soll. Für diese Nennung
sah der Presserat keine redaktionelle Veranlassung. Ohne erkennbaren
Grund wurde aus einer Vielzahl ähnlicher Produkte ein bestimmtes
Präparat herausgegriffen. Dadurch entsteht ein Werbeeffekt für den
Hersteller, der in allen drei Fällen identisch ist. Dies ist nach
Richtlinie 7.2 Schleichwerbung.

Zusagen von Redakteuren
Der Presserat nimmt einen aktuellen Fall zum Anlass und weist die
Redaktionen darauf hin, dass Zusagen von Fotografen und Reportern am
Ort eines Geschehens gegenüber Interviewten oder Fotografierten
grundsätzlich verbindlich sind. Sagt ein Fotograf zum Beispiel bei
einer Gerichtsverhandlung dem Angeklagten zu, dass ein Foto von ihm
nur gepixelt veröffentlich werde, ist die Redaktion bei der
Veröffentlichung an diese Absprache gebunden.

Statistik
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 112 Beschwerden
behandelt. Dabei wurden neben den Rügen 17 Missbilligungen und 17
Hinweise ausgesprochen. In 34 Fällen wurden die Beschwerden als
unbegründet erachtet. In neun Fällen wurde die Beschwerde als
begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet. Zwei
Beschwerden waren nicht aufklärbar. In drei Fällen hatten sich
mehrere Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung beschwert,
hier wird das Ergebnis nur einmal gezählt.

Originaltext: Deutscher Presserat
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/14918
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_14918.rss2

Pressekontakt:
Ansprechpartnerin für die Presse: Ella Wassink, Tel. 030-367007-0

Deutscher Presserat
Telefon: 030-367 00 7-0
Fax: 030-367 00 7-20
E-Mail: info@presserat.de


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