Westfalenpost: Zeit der Ernüchterung Die Koalition geht in die Sommerpause
Geschrieben am 21-07-2006 |
Hagen (ots) - Von Winfried Dolderer
Arbeitsteilung, das wäre es vielleicht. Auf den Gedanken konnte man kommen, wenn man Angela Merkel in St. Petersburg erlebte, locker, souverän, strahlend im Kreis der Staats- und Regierungschefs, ganz anders als wir sie zu Hause kennen: Dass das Land zwei Kanzler gebrauchen könnte. Die Amtsinhaberin fürs Äußere. Und den Vorgänger, den Basta-Mann, der sich auf internationalem Parkett sowieso nie benehmen konnte, dessen Tatkraft und Mut manche im Vergleich zur Nachfolgerin neuerdings aber wieder zu rühmen wissen, für die Innenpolitik. Nun sind die Ergebnisse des Schröderschen Reformschaffens - man denke an Hartz IV - keineswegs so überzeugend, dass man vermuten müsste, der Erfolg hinge einzig von einem Basta mehr oder weniger ab. Gleichwohl, allein schon, dass man sie derzeit wieder öfters mit dem Vorgänger vergleicht, und nicht zu ihrem Vorteil, sagt viel darüber, wie die Kanzlerin und die Koalition nach acht Monaten zu Beginn dieser Sommerpause dastehen. Ernüchterung ist eingekehrt. In einem mehr als gewöhnlichen Ausmaß. Man muss sich darüber nicht wundern, wenn man sich des Überschwangs der ersten Regierungsmonate entsinnt. Das Bündnis der beiden Wahlverlierer war auch über das gewöhnliche Maß hinaus angesehen. Vielen Menschen ist die Vorstellung lieb, dass die Volksparteien einfach ihren Streit vergessen müssen und gemeinsam anpacken, und dass sich dann endlich etwas bewegt, was auch immer. Soll man der Koalition vorwerfen, dass manche sie mit Erwartungen überfrachtet haben? Man kann es Angela Merkel nicht vorwerfen, dass sie die Erwartungen zu dämpfen versucht und lediglich "kleine Schritte" angekündigt hat. Man kann sich aber wünschen, dass die Schritte etwas größer werden, und die Bundeskanzlerin auch in der Innenpolitik etwas von der Strahlkraft entfaltet, die ihr auswärts so reichlich zu Gebote steht. Es ist ja auch eine Chance, wenn die Erwartungen so gering sind wie derzeit an die Koalition. Man kann sie übertreffen.
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