LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Flüchtlinge/Zypern:
Geschrieben am 24-07-2006 |
Leipzig (ots) - Von André Böhmer Mit zehntausenden Flüchtlingen, die als Folge des Libanon-Konflikts bislang auf Zypern anlandeten, steht ein kleines EU-Land am Rand der Überforderung. Zwischen humanitärer Pflicht und engen, durch EU-Gesetze vorgeschriebenen, juristischen Spielregeln ist es ein Spagat, zu dem sich die Mittelmeerinsel unfreiwillig genötigt sieht. Zu schaffen ist er im Prinzip nicht. Denn der südöstliche Außenposten der EU muss vor allem das Kernproblem mit den Flüchtlingen aus afrikanischen und asiatischen Drittstaaten lösen. Und in der Stunde der Not kann er nur wenig Hilfe von anderen EU-Ländern erwarten. Bislang jedenfalls steht Zypern ziemlich allein da. Die sperrige Haltung der reichen mittel- und nordeuropäischen Staaten ist offensichtlich, die praktische Hilfe aus Brüssel bewegt sich im Null-Prozent-Bereich. Eine vage in Aussicht gestellte finanzielle Unterstützung ist das einzige Trostpflaster, mit dem die Wunden notdürftig verschlossen werden sollen. Die systematische Evakuierung von Nicht-EU-Bürgern aus dem Libanon über das Mittelmeerland wird kategorisch abgelehnt. Ist die EU deswegen herzlos, wie es ihr öffentlich zunehmend vorgehalten wird? Sind ihr zehntausende Einzelschicksale egal? Vorschnelle Urteile gehen am Kern des Problems vorbei. Zwar ist es populär, von allen EU-Ländern die pflichtgemäße Aufnahme nichteuropäischer Libanon-Flüchtlinge zu verlangen. Die Erfahrungen nach dem Kosovo-Krieg haben aber gezeigt, dass eine so weit wie möglich verzweigte Verteilung über den ganzen Kontinent am Anfang vieles erleichtert, die Probleme jedoch nur verdrängt. Aus diesen Fehlern müssen jetzt die richtigen Konsequenzen gezogen werden, fordert Deutschland zurecht. Voreiliger Aktionismus mit humanitä-rem Anstrich, so die nachvollziehbare Argumentation aus dem dafür zuständigen Schäuble-Ministerium, führt zum Schluss genauso zwangsläufig in die Sackgasse. Der Libanon-Konflikt mit seinen Auswirkungen auf Zypern und die EU wirft dabei auch ein Licht auf die Flüchtlingsdramatik im gesamten Mittelmeer und vor den Kanarischen Inseln im Atlantik. Tag für Tag müssen die Sicherheitskräfte in Italien, Spanien oder Malta die Leichen ertrunkener Afrikaner von ihren Stränden aufsammeln. Wenn Meere zu Massengräbern werden, hat sich aus regionalen Problemen längst eine handfeste Krise für Europa entwickelt. Zumindest diese Botschaft ist nun in Brüssel angekommen, denn die Innenminister suchen nach einer Lösung. Schwierig genug wird das. Während Mittelmeer-Anrainer Frankreich auf die harte Linie setzt und mit kompromisslosen Abschiebungen den illegalen Zuwandererstrom erfolgreich eindämmt, bevorzugen Italien und Spanien die weiche Strategie. Mit dem Resultat, dass sie sich immer mehr illegaler Zuwanderer erwehren müssen. Dazu kommt, dass die Dramatik für viele auf dem europäischen Festland weit weg erscheint. Ein gefährlicher Trugschluss. Das haben auch die Innenminister erkannt. Ob sie einen Ausweg finden, muss abgewartet werden.
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