Berliner Morgenpost: Ein Rückschlag für die Integrationspolitik
Geschrieben am 01-10-2009 |
Berlin (ots) - Thilo Sarrazin sagt, was er denkt. Da er ein kluger Mann ist, lohnt es sich meist, ihm zuzuhören oder bei ihm nachzulesen. Thilo Sarrazin kann sich aber auch um Kopf und Kragen reden, nicht nur weil er die letzten Schranken der "political correctness" missachtet. Als er noch Berlins Finanzsenator war, hatte er ein politisches Umfeld, das ihn immer wieder bremsen konnte. Jetzt als Bundesbanker ist er weitgehend auf sich allein gestellt. Und macht aber munter weiter. Doch wer im Vorstand der ehrwürdigen, allerdings nicht mehr ganz so bedeutsamen Bundesbank sitzt, soll über Geld reden, nicht über Politik. Zu Sarrazins neuem Job am Main gehört zudem Diskretion. Das alles wusste er, als er nach Frankfurt ging. Gegen diese ihm wohl bekannten Prinzipien hat er schwer verstoßen. Auch seine öffentliche Entschuldigung, zu der er sich offensichtlich erst auf Druck seiner Vorstandskollegen durchgerungen hat, entlastet ihn nicht. Sarrazin spricht beim Thema Integration Probleme an, die es zweifellos gibt. Die Form, in der er dies tut, viele seiner Interpretationen und Schlussfolgerungen sind jedoch inakzeptabel. Durch seine maßlose Polemik erschwert er eine ehrliche Debatte über Fehlentwicklungen deutscher Einwanderungspolitik, die gerade langsam in Gang zu kommen scheint. Wenn es richtig ist, dass Sarrazin nicht allein über einen klaren Verstand verfügt, sondern auch Politik vom Ergebnis her denkt, sind einige Formulierungen geradezu absurd. Was immer Sarrazin mit seinem aggressiven Sinnieren erreichen wollte, es ging nach hinten los. Schonungslos, wie er über seine Haushaltszahlen geredet hat, glaubte er wohl auch über Missstände in Berlin reden zu können. Er vergriff sich nicht nur im Ton - er liegt auch inhaltlich an vielen Stellen daneben. Dass seine Attacke Menschen trifft, um die sich auch seine Partei jahrlang herzlich wenig gekümmert hat, focht ihn nicht an. Mit diesem Interview ist Thilo Sarrazin endgültig zu weit gegangen. Schade um einen Politiker und Banker, der sich bislang mit ebenso klaren wie ehrlichen Analysen vom großen Rest seiner Kollegen unterschied. Aber wer wie er ausländerfeindliche Töne anschlägt, wird untragbar. Allemal, wenn er ein hohes staatliches Amt hat. Der darf sich nicht auch wundern, wenn sich die Justiz mit ihm beschäftigt. Thilo Sarrazin muss sich noch eine ganz andere Frage gefallen lassen. Was hat er eigentlich selbst dafür getan, dass nicht aus dem Ruder läuft, was er jetzt so überzogen provokativ beklagt? Jahrelang ist er im rot-roten Berliner Senat einer der einflussreichsten Senatoren gewesen. In der Integrationspolitik ist davon kaum etwas zu spüren gewesen. Statt wirkungsvoll bei seinen damaligen Kollegen das Prinzip des Förderns und Forderns auch in der Ausländerpolitik einzufordern und diese Strategie finanziell zu flankieren, kannte Sarrazin als Finanzsenator nur ein Ziel: Sparen, um mit eigenen Zahlen zu glänzen und sich für höhere Aufgaben wie die in Frankfurt zu empfehlen. Jetzt hat er sich so schwer verhoben, dass er sich wohl bald einen neuen Job suchen muss. Wirklich schade um Sarrazin.
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