WAZ: Die Perspektive der SPD - Zwischen Reha und Trauerarbeit - Leitartikel von Miguel Sanches
Geschrieben am 06-10-2009 |
Essen (ots) - Wegen der SPD muss man keine Tränen vergießen. Sie hat elf Jahre regiert. Nun kommt sie in die Opposition. Das ist der Lauf der Dinge. Sie wird in die Reha gehen und gestärkt zurückkommen. Die Frage ist nur wann, wie, mit wem. Dies kann keiner beantworten. Mutmaßlich wird es sich nicht so hinziehen wie 1982. Damals dauerte die Opposition die gefühlte Ewigkeit von 16 Jahren.
Sie hat sich ihrer Wählerschaft entfremdet, Glaubwürdigkeit eingebüßt, Solidarität oft genug nicht vorgelebt. Erinnern wir uns: In Hamburg wurden bei einer Urwahl aus der Parteizentrale Urnen geklaut, in Hessen leistete man sich Grabenkriege. Dies zeigt, dass eine Reform an Haupt und Gliedern notwendig ist. Der Weg zurück führt über die Rathäuser und Landtage. Das Fundament: Glaubwürdigkeit. Dafür muss die Partei einen Vorsatz beachten: Sag, was du denkst und tu, was du sagst. Klingt banal, ist aber oft missachtet worden; richtig dreist bei der Mehrwertsteuererhöhung.
Sobald FDP und Union loslegen, werden die Wähler merken, was ihnen fehlt: Eine Kraft, die nicht wie die Linke "Reichtum für alle" propagiert, sondern die soziale Gerechtigkeit und ökonomischen Realitätssinn in Einklang bringt. Neue Bewegungen entstehen fast immer im linken Spektrum. So war es mit den Grünen, so war es mit der WASG, so ist es mit Attac oder der Piratenpartei. Immer wird der SPD die größte Integrationskraft abverlangt. Wobei sie derzeit allein daran scheitert, neue Bewegungen überhaupt zu erkennen. Der designierte SPD-Chef Gabriel redet arg illusionslos über Schwächen. Man wird ihn an den Worten messen, die SPD gesellschaftlich zu öffnen und direkte Demokratie zu wagen.
Die neue Führungsriege darf zumindest den Übergang regeln. Die Einschränkung gilt gerade für Frank-Walter Steinmeier. Die SPD mag ihn. Nur mag sie nicht an Reformen erinnert werden, für die er steht. Steinmeier darf die Aufgewühltheit nicht auf sich wirken lassen. Die Warnung vor einer Festlegung auf das linke Spektrum ist berechtigt, aber ungeschickt. Besser wäre es, die Trauerarbeit zuzulassen, Pendelausschläge auszuhalten. Kurz nach so einer Niederlage kann keine Partei ihre Balance finden.
Zwiespältig und noch unentschieden ist ebenso die Haltung zur Linkspartei. Einfach deswegen, weil sie bei näherem Hinsehen auch eine gespaltene Partei ist und die Konkurrenz zu ihr nicht endet. Die SPD ist auch eine Adresse für Protestwähler. Opposition ist kein Mist. Nur ein weites Feld.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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