Anlaesslich seines Redebeitrags beim heutigen Symposium '10 Jahre Pflegeversicherung - Bilanz und Zukunftsperspektiven' des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbaende der Krankenkassen e.V. (MDS) und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDK) in Hannover erklaert der SPD-Bundestagsabgeordnete, Klaus Kirschner, Vorsitzender des Ausschusses fuer Gesundheit und Soziale Sicherung:
Der Ueberlegung des SPD Partei- und Fraktionsvorsitzenden, Franz Muentefering, die Pflegeversicherung in eine Buergerversicherung umzustrukturieren, ist uneingeschraenkt zuzustimmen. Das ist der richtige Weg zur Reform der Pflegeversicherung, bei dem auch Gutverdiener oberhalb der Versicherungspflichtgrenze von 3.900 Euro im Monat sowie Selbstaendige und Freiberufler zur Solidaritaet herangezogen werden. Der berufliche Status und die Einkommenshoehe duerfen nicht weiterhin die Entscheidungskriterien sein, ob sich jemand fuer oder gegen Solidaritaet entscheidet und die Privaten Krankenversicherungensich die Rosinen, sprich die guenstigen Versichertenrisiken herauspickt.
Die durchschnittliche Lebenserwartung und damit auch die Morbiditaet werden von der Zugehoerigkeit zur sozialen Schicht bestimmt. Daher wundert es nicht, dass die Zahl der Leistungsempfaenger in der sozialen Pflegeversicherung mit 2,7 Prozent der Versicherten doppelt so hoch ist wie in der privaten Pflegeversicherung mit 1,3 Prozent. Auch die Leistungsausgaben betragen mit 246 Euro je Versicherten zu 57 Euro mehr als das Vierfache. Die Folge: Die private Pflegeversicherung ist im Plus, waehrend die soziale Pflegeversicherung Defizite zu verzeichnen hat.
Das hat nichts mit Verschwendung einerseits und Sparsamkeit andererseits zu tun, sondern damit, dass die Menschen der unteren und mittleren Einkommensschichten morbider sind und auch ihre Lebenserwartung ist bei allen Fortschritten, die wir in der Hygiene, den Wohn-, Lebens- und Arbeitsplatzverbesserungen, durch Impfungen und medizinischen Fortschritt erreicht haben, erheblich geringer. Das schlaegt sich dann in hoeheren Leistungsausgaben nieder und deshalb spricht alles fuer die Buergerversicherung - uebrigens auch beim Krankenversicherungssystem - und nichts fuer die Beibehaltung des derzeitigen Zwei-Klassen-Systems oder gar Einheits-Kopfpraemien.
Die Vorschlaege, bei der Pflege eine Kopfpauschale einzufuehren, sind ebenso ein falscher Weg wie die Kapitaldeckung. Das Erstere beruecksichtigt nicht unterschiedliche Einkommen und das Zweite bedeutet hoehere Belastung fuer die Erwerbstaetigen. Beide Massnahmen wuerden die Akzeptanz der Pflegeversicherung in Frage stellen.
Im Uebrigen haben wir in Deutschland schon mit der Kapitaldeckung in der Rente Schiffbruch erlitten: 1914 und 1939. Auch wenn die Zeit heute eine andere ist, die Erfahrungen von damals sollten nicht ignoriert werden, auch wenn es nicht in die Ideologie der modernen Heilsbringer passt.
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