Neue Westfälische: KOMMENTAR SPD-Parteitag Gabriels Werkstatt THOMAS SEIM, DRESDEN
Geschrieben am 13-11-2009 |
Bielefeld (ots) - Die SPD hat sich versammelt. Es ist kein einfacher Parteitag, zu dem sich die sozialdemokratischen Delegierten in der Dresdner Messe zusammengefunden haben. Die Wunden der Vergangenheit sitzen tief bei der SPD-Basis. Sehr lange haben sich die einfachen Mitglieder als Opfer der Politik ihrer Führung gesehen: nicht beachtet mit ihren Sorgen, nicht wahrgenommen bei der Meinungsbildung, ungehört bei ihrem Protest gegen die Auswirkungen der Agenda-Reformen. Vor diesem Hintergrund drohte in Dresden ein Parteitag der politischen Abrechnung, womöglich gar gepaart mit politischer Rache für die in der Vergangenheit von der alten Führung geschlagenen Wunden. Und es prickelte auch gehörig im Saal, als der scheidende Parteichef Franz Müntefering zu seiner einstündigen Lage-Analyse ansetzte. Es zeichnet Müntefering aus, dass er der Versuchung widerstand, von sich aus die politische Abrechnung mit seinen Kritikern zu suchen. Seine moderate, auch kritische Analyse der Gründe für die Wahlniederlage seiner Partei gab den Delegierten die Chance zu der von ihr dringend verlangten kritischen Debatte über Fehlleistungen ihrer Führung in den Regierungsjahren. Und sie ließ zugleich einen Weg offen, den scheidenden SPD-Vorsitzenden trotz aller Kritik in der Substanz weitgehend unbeschädigt in den politischen Ruhestand zu verabschieden. Noch wichtiger allerdings war der Raum, den Müntefering seinem Nachfolger öffnete. Sigmar Gabriel füllte ihn. In einer sehr klug aufgebauten Rede fügte der neue Mann an der SPD-Spitze der schonungslos kritischen Analyse der Wahlniederlage und des Zustandes der SPD Eckpunkte eines neuen sozialdemokratischen Politik-Entwurfs hinzu. Den Sozialstaat bezeichnet Gabriel dabei wieder als Kernprojekt der Sozialdemokratie und definiert es über zehn Gebote einer gerechten Gesellschaft. Prinzip: Wer unverschuldet in Not gerät, hat Anspruch auf die Solidarität der Gesellschaft. Chancen und Zugänge zu Bildung will er für viele, nicht für wenige organisieren. Prinzip: Bildung muss wieder kostenfrei sein vom Kindergarten bis zur Universität.
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