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BGH-Urteil: Friss oder stirb bei der Fondssanierung? / Die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 10. Oktober 2009 - II ZR 240/08 - wurde heute veröffentlicht

Geschrieben am 18-11-2009

Berlin/Karlsruhe (ots) - Auf diese Entscheidung wartet die
Fachwelt seit Wochen. Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine
Publikumsgesellschaft einen Gesellschafter ausschließen darf, der
sich an einer Sanierung nicht beteiligt. Um es kurz zu machen: Das
Gericht sagt: Ja, aber... Die Experten des Aktionsbund Aktiver
Anlegerschutz, des größten Interessenverbundes im Bereich
Geschlossener Fonds, sehen die Entscheidung grundsätzlich positiv,
warnen aber vor zu hoch gesteckten Erwartungen. Einerseits würden nun
Blockaden einzelner Fondseigner trotz sinnvoller Sanierung wie in der
Vergangenheit deutlich erschwert, andererseits sei die Entscheidung
"kein Freibrief für Friss- oder Stirb-Lösungen." Die
Ausgangssituation:

Ein geschlossener Immobilienfonds konnte seine Bankdarlehen nicht
mehr bedienen. Er beschloss ein Sanierungskonzept, das eine
Kapitalspritze von 4,7 Mio. Euro vorsah, die die Gesellschafter des
Fonds aufbringen mussten. Die Bank wollte noch einmal 2,1 Mio. Euro
beitragen, sollte der Fonds das Geld zusammenbekommen. Wer bis zu
einem bestimmten Termin diesen Nachschuss nicht einzahlte, der wurde
automatisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Wenn ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft ausscheidet, dann
bekommt er den Wert seines Kapitalanteils ausgezahlt oder er muss
selbst etwas an den Fonds bezahlen, wenn der Wert des
Gesellschaftsanteils negativ ist. Und so war es hier. Der Fonds hatte
Schulden, die den Wert der Immobilie überstiegen - sonst wäre er ja
kein Sanierungsfall gewesen.

Der konkrete Fall:

Der Fonds klagte auf Zahlung gegen die Gesellschafter, die sich an
der Sanierung nicht beteiligt hatten und sich dann gegen ihren
Ausschluss und die Zahlung des negativen Abfindungswertes wehrten. Er
unterlag in zwei Instanzen, erst vor dem BGH bekam er Recht. Es gibt
einen Grundsatz, der den Untergerichten im Weg stand: In den
Kernbereich der Gesellschafterstellung darf nur eingegriffen werden,
wenn jeder Gesellschafter zustimmt. Die Mitgliedschaft in der
Gesellschaft selbst gehört ganz klar zu diesem geschützten
Kernbereich. Es kann also nicht die Mehrheit der Gesellschafter eine
Minderheit durch Mehrheitsbeschluss gleichsam enteignen. Dieser
Grundsatz gilt auch weiter, sagt der BGH. Aber es gibt noch einen
anderen Gesichtspunkt, der hier beachtet werden muss. Die
Gesellschafter sind sich untereinander zur Treue verpflichtet, man
nennt dies die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Sie dürfen zwar
ihre eigenen Interessen verfolgen. Sie müssen aber auch auf die
berechtigten Interessen ihrer Mitgesellschafter Rücksicht nehmen. In
den Worten des Gerichts:

»Eine Zustimmungspflicht kommt dann in Betracht, wenn sie mit
Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die
bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander
dringend erforderlich ist und die Änderung des Gesellschaftsvertrages
dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange
zumutbar ist. »

Um der Argumentation des Gerichts zu folgen, muss man nun die
genauen Verhältnisse anschauen:

Der Fonds hatte ca. 10 Mio Euro Schulden. Wäre er insolvent
gegangen, hätte jeder Gesellschafter ca. 133 % seines ursprüngliche
eingezahlten Kapitals (Eigenkapital) noch einmal zahlen müssen. Wer
also 100.000 Euro eingezahlt hatte, wäre mit 133.000 Euro mit dabei
gewesen. Das sind keine ungewöhnlichen Zahlen bei geschlossenen
Immobilienfonds mit quotaler Haftung der Gesellschafter. Die
Sanierung des Fonds war mit 6,7 Mio. Euro möglich gewesen. Die
verbleibende Schuld konnte der Fonds aus eigener Kraft bedienen, denn
er hatte Mieteinnahmen. Zur Sanierung mussten die Anleger etwa 60 %
ihres Eigenkapitals einsetzen. Die Wahl, vor der die Gesellschafter
standen, war also: Ein Ende mit Schrecken - 133 % zahlen - oder die
Chance, den Fonds weiterzuführen und 60 % zahlen. Die Mehrheit hat
sich für das Weiterführen entschieden. Die Gesellschafter, die sich
an der Sanierung nicht beteiligten, wurden ausgeschlossen. Die
Ausgeschiedenen mussten 120 % ihres Eigenkapital zahlen. Es wurde für
sie günstiger als im Fall der Zerschlagung, weil der Fonds von den
übrigen Gesellschaftern weitergeführt wurde.

Daraus schloss der BGH: Die Gesellschafter hatten die Wahl, ob sie
ins Risiko gehen und sanieren oder ob sie den Fonds beenden wollten.
Im einen Fall kostet das 60 %, im anderen 133 %. Wer die 60 % nicht
will, muss also notwendig die 133 % wollen. Und dem geschieht kein
Unrecht, wenn man ihm nur 120 % nimmt. Aus diesem Grund waren die
Nichtsanierer aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht
verpflichtet, ihrem eigenen Ausschluss zuzustimmen.

Und das ist die Meinung der AAA-Experten:

Kerstin Kondert, Vorstand des Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz:
"In der Vergangenheit sind viele sinnvolle Sanierungen gescheitert,
weil sich ein Teil der Anleger der Sanierung entgegengestellt hat, in
vielen Fällen einfach aus dem Grund, die Zahlungsverpflichtung so
weit wie möglich nach hinten zu schieben. Das Urteil hilft allen
Anlegern, die den ohnehin schon großen Schaden aus den
Fondsbeteiligungen möglichst gering halten wollen."

Thomas Lippert , Vorstand des Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz:
"Der Fall passt nicht auf jede Fonds-Sanierung. Häufig werden keine
schlüssigen Sanierungskonzepte vorgelegt, sondern nur weiter
Anlegergelder verbrannt. Wenn die Verhältnisse aber so sind wie hier,
dann ist es nicht einzusehen, dass die Nicht-Sanierer als lachende
Dritte zusehen können, wie ihre Investition ins Geld wächst - auf
Kosten anderer."

Dr. Wolfgang Schirp, Partner der Kanzlei Schirp Schmidt-Morsbach
Apel Neusel:

"Bereits vor Veröffentlichung dieser Entscheidung haben viele
Fonds-Verwalter begonnen, die Fonds in diesem Sinne zu sanieren. Die
Entscheidung ist aber kein Freibrief für Friss oder Stirb-Lösungen."
Dr. Christian Naundorf, Rechtsanwalt in der Kanzlei Schirp
Schmidt-Morsbach Apel Neusel: "Der BGH hatte einen Fall zu
entscheiden, in dem Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit
des Fonds außer Frage standen. In den Fällen, in denen das in Frage
steht oder in denen konkurrierende Sanierungskonzepte zur Wahl
stehen, dürfte die Entscheidung nicht greifen."

Für Rückfragen stehen zur Verfügung:

Dr. Wolfgang Schirp und Tibet Neusel
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht
RAe Schirp Schmidt-Morsbach Apel Neusel
Dorotheenstraße 3
10117 Berlin

Sekretariat:
Frau Schnur
Tel.: 030/327 617-34
Fax: 030/327 617-17

Originaltext: AAA-Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/56610
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_56610.rss2

Pressekontakt:
Thomas Lippert
Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz
030/315 193 4- 0
presse@aktionsbund.de


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